Artenvielfalt. Nicht nur schön anzusehen, sondern überlebensnotwendig für den Menschen. Um Pandemien zu verhindern und das fortschreitende Artensterben zu stoppen, braucht es mehr Respekt vor der Natur - und geschützte Naturräume. Artenschützer wie Dirk Steffens und Thomas Lovejoy mit dramatischen Appellen... „Wir könnten ohne einen einzigen Gletscher auf der Erde leben. Aber ohne Artenvielfalt, würde es die Spezies Menschen nicht geben“, sagt Dirk Steffens. Steffens ist UN-Botschafter für die Dekade biologische Vielfalt und bekanntes Gesicht bei der Doku-Serie „Terra X“. Seit Jahren beschäftigt er sich mit Artenvielfalt. In seinem neuen Buch „Über Leben - Zukunftsfrage Artensterben“ beschreibt er (gemeinsam mit Fritz Habekuß) „den größten Artenschwund seit dem Aussterben der Dinosaurier“. Und versucht Strategien und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie diese „Ökokrise“ überwunden werden kann... Luft zum Atmen, Wasser zum Trinken... „Die Klimakrise gefährde zwar die Art wie wir Leben, aber nicht ob wir Leben“, so Wissenschafts-Journalist Steffens: Die Luft zum Atmen, das Wasser zum Trinken und die Nahrung, die wir essen können - alle diese drei Lebensgrundlagen, verdanken wir der Existenz anderer Lebewesen, sagt Steffens. Gemeinsam mit seiner Frau hat er 2017 die Stiftung „Biodiversity Foundation“ gegründet. Diese hat es sich zur Aufgabe gemacht, über Ursachen und Gefahren globalen Artensterbens zu informieren. Zudem wurde eine Petition auf den Weg gebracht, um den Artenschutz in das deutsche Grundrecht aufzunehmen. In der Natur hängt alles mit allem zusammen. Der Erhalt der Artenvielfalt ist deshalb nicht nur als Naturideal wichtig, sondern bildet die Grundlage für das Überleben unserer Spezies. Leider zeigt der Trend in eine andere Richtung: Weltweit gibt es heute weniger als halb so viele Tiere als noch vor 50 Jahren. Alleine in Deutschland ist die Insektenbiomasse zwischen 1989 und 2016 um 76 %(!) zurückgegangen. Das Artensterben werde sich nur dann aufhalten lassen, so die Einschätzung von Wissenschaftlern und Ökologen, wenn die Abholzung der Wälder, das Eindringen in die Lebensräume der Wildtiere aufhört. Jedes Jahr werden schätzungsweise 15 Milliarden Bäume gefällt. Für die Ausweitung von Landwirtschaftsflächen, für Ressourcengewinnung und die zunehmende, globale Verstädterung. Jährlich verschwinden rund 1 % des weltweiten Waldbestandes. Wenn Papageientaucher auf der schottischen Inselgruppe der inneren Hebriden brüten, Steinböcke über Alpenkämme ziehen oder Schmetterlinge, Käfer und Insekten über Pflanzen, Wiesen und Erde schwirren – übernimmt jedes Lebewesen, jedes Insekt, eine Aufgabe als Rädchen in einer weltumspannenden, ökologischen Maschine. So winzig die Einzelbeiträge auch sein mögen, summieren sie sich zu einem kolossalen Nutzeffekten für das Leben auf der Erde. Alles Leben geht auf Artenvielfalt zurück: Energie, Nahrungsmittel oder sämtliche Produktionsmaterialien, würde es ohne Biodiversität nicht geben. „Dass fortwährend neue Krankheiten auftauchen – einige davon mit Pandemiepotenzial – sollte uns uns nicht überraschen. Besonders wenn die Menschheit die Natur weiterhin im großen Stil zerstört“, sagt Thomas Lovejoy. Lovejoy ist renommierter Artenforscher und gilt als Erfinder des Begriffs „Biodiversität“. Als Lovejoy 1980 diese Umschreibung einführte, war der Artenreichtum noch bedeutend "reicher" als heute. „Ein weiser Weg in die Zukunft sähe vor, in den Naturschutz und die Wissenschaft zu investieren und die Vielfalt des Lebens zu schätzen, mit dem wir diesen Planeten teilen“, sagt Lovejoy. Eine gesunde Zukunft für die Menschheit gehe Hand in Hand mit einem gesunden, artenreichen Planeten... „Wir leben von der Natur. Dort kommen wir her“, sagt Umweltwissenschaftler Lovejoy. „Die Lektion aus der Pandemie ist nicht, dass die Menschheit nun Angst vor der Natur haben soll. Sie muss sie erneuern, annehmen und begreifen, wie sie mit ihr Leben und von ihr profitieren kann“. Manche Menschen sehen in der Pandemie die Natur, die zurückschlägt und sich gegen alles wehrt, was ihr angetan wurde. Aber, so Lovejoy: Menschliches Verhalten und die Missachtung der Natur sind die eigentlichen Ursachen. Und während wir mit der Pandemie kämpfen, schreitet der Klimawandel weiter voran, was für viele derzeit noch unbekannte Krankheitserreger vermutlich von Vorteil ist... „Der Artenreichtum ist im Grunde eine gigantische Bibliothek voller Lösungen für biologische Probleme“, sagt Naturschützer und Biodiversitätsforscher Lovejoy - von der natürlichen Selektion und Evolution eingehend getestet. Die eigenwillige Biologie der Fledermäuse, die gegen das Coronavirus immun sind, könnte beispielsweise zur Entwicklung einer Behandlung für COVID-19 beitragen. „Ihr wollt keine Pandemien? Hört auf, die Natur zu missachten“, ruft Thomas Lovejoy in einen Kommentar für „National Geographic“ der Öffentlichkeit förmlich zu. Dirk Steffens fordert sogar einen „ökologischen Ausnahmezustand“. Vergleichbar mit den drastischen Maßnahmen während des Corona-Lockdowns. Zukünftig, so Steffens, sollten alle großen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen nur mehr dann getroffen werden, wenn sie ökologisch sinnvoll und verträglich sind. Natur und Umwelt brauchen mehr Rechte. Und es brauche ein Vetorecht, wenn gegen die Natur gehandelt wird, sagt Dirk Steffens. Vielleicht in Form von globalen Allianzen? Thomas Lovejoy bringt es mit einem schönen Vergleich auf den Punkt: „Die Menschheit respektiert bereits die Bibliotheken, die sie mit ihren eigenen Werken gefüllt haben. Wir haben allen Grund, der lebenden Bibliothek der Natur mit demselben Respekt und derselben Fürsorge zu begegnen." Die Zukunft der Welt? Sie wird maßgeblich von unserem Umgang mit der Natur bestimmt. Wir haben es in der Hand. Jeden Tag aufs Neue... Buch-Tipp: Über Leben - Zukunftsfrage Artensterben: Wie wir die Ökokrise überwinden Von: Dirk Steffens und Fritz Habekuß Umfang: 240 Seiten Erschienen bei: Penguin Verlag Fotos: Marc Graf & Christine Sonvilla Quellen: Ö1, National Geographic Text: Helmut Wolf
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