Nachhaltige Entwicklung in aller Munde. Einheitliche Ziele für diese Entwicklung wurden schon vor Jahren formuliert. Aber wie steht es eigentlich wirklich in Österreich auf dem Weg in die nachhaltige Zukunft? Thomas Alge, GF von „ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung“ & SDG Watch Austria, im Interview... Sustainable Development Goals, kurz SDG´s, werden die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung genannt, die 2015 von allen Mitgliedsstaaten der vereinten Nationen in der Agenda 2030 verabschiedet wurden. Dabei wurden, mehr oder weniger klar, Schritte definiert, die auf ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Ebene eine nachhaltige Zukunft sichern sollen. Einige Zwischenziele hätten bereits 2020 erreicht werden sollen, die meisten sind mit 2030 datiert. Zeit für eine Zwischenbilanz – wo stehen wir eigentlich? Und wie hat die Corona-Krise diese Zielerreichung beeinflusst? Diese und andere Fragen hat uns Thomas Alge, Geschäftsführer von ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung und SDG Watch Austria, im folgenden Interview beantwortet: Lieber Herr Alge, wo stehen wir in Österreich auf unserem Weg zur Erreichung der SDGs? Sind die Ziele bis 2030 realistisch erfüllbar? Ganz offen gesagt, ich gehe nicht davon aus, dass wir bis 2030 die Ziele erreichen. Es ist jedoch schon viel gelungen, wenn wir uns bis 2030 auf dem klaren Pfad zur Zielerreichung befinden. Bisher ist das nicht der Fall. Durch den ersten "Freiwilligen Nationalen Umsetzungsbericht" Österreichs an die Vereinten Nationen, der am 15. Juli dieses Jahres vorgelegt wurde, ist jetzt einmal eine erste Grundlage für die weitere Umsetzung geschaffen. Darin bekennt sich die Spitze der österreichischen Regierung erstmals explizit zur Agenda 2030 und auch zu Maßnahmen zur besseren strukturellen Verankerung des Umsetzungsprozesses. Wesentlich bei der Agenda 2030 ist, dass der Fokus nicht auf einem einzelnen SDG liegt, sondern die Ziele immer in Zusammenhang mit anderen Zielen der Agenda 2030 gesehen werden sollen. Wenn Österreich zu viele Ressourcen verbraucht, ist das nicht nur ein Problem in Österreich, sondern wirkt sich häufig auch auf die Gesundheit, soziale Ungleichheit oder Lebensgrundlagen in anderen Regionen der Welt, besonders im globalen Süden, aus. Jedenfalls gibt es auch nachdem für Österreich eher positiven Bericht der Bertelsmann Stiftung von 2019 insbesondere großen Handlungsbedarf im Klimaschutz oder in Bezug auf nachhaltiges Wirtschaften, doch auch bei den meisten anderen Zielen gilt es aufzuholen. Einige der Ziele hätten bereits bis 2020 erreicht werden sollen. Wie würden Sie hier den Stand der Dinge einschätzen? Konnten bereits einzelne Forderungen erfüllt werden? Es ist richtig, dass es Zwischenziele gibt, die hätten erreicht werden müssen. Das ist ein Auftrag, jetzt umso mehr zu tun. Die Trends sind unterschiedlich. So fallen wir bei der Klimapolitik immer weiter zurück. Durch die Corona-Krise werden tendenziell soziale und wirtschaftliche Ungleichzeiten verstärkt, da gibt es viel zu tun. Im Detail setzen sich die über 200 Mitgliedsorganisationen von SDG Watch Austria für die Umsetzung der einzelnen Ziele ein und können hier besser darstellen, wo die Defizite und Lösungskonzepte liegen. Aus Sicht von SDG Watch Austria ist es wesentlich, dass wir durch geeignete Strukturen und Prozesse einen politischen Rahmen für die effektive Umsetzung der Agenda 2030 schaffen. Dazu gehören beispielsweise ein systematischer, klarer Fahrplan der Regierung für die Umsetzung und die proaktive Einbindung des Parlaments, ebenso wie die Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Die „Aktionstage Nachhaltigkeit“ heuer haben gezeigt, wie vielfältig Projekte in ihrem Beitrag zur nachhaltigen Zukunft sein können. Aber: machen individuelle Kleinprojekte hier den großen Unterschied? Oder steht und fällt unsere Zukunft mit politischen Top Down-Entscheidungen? Das ist keine Entweder/Oder-Frage. Es braucht beides. Ohne politische Entscheidungen und Strukturen bewegt sich wenig bzw. haben diese eben eine viel größere Hebelwirkung. Auf der anderen Seite zeigt das Engagement und die Innovationskraft von unterschiedlichsten Initiativen, besonders aus der Zivilgesellschaft, was alles möglich ist. Das erhöht wiederum den Druck und den Handlungsspielraum der Politik. Außerdem machen kleine Aktionen sichtbar, welche Partizipationsmöglichkeiten es für jeden Einzelnen gibt. Auch dürfen wir nicht vergessen, dass unsere Entscheidungen und Konsumweisen einen Einfluss auf die Lebensqualität von Menschen an anderen Orten der Welt haben können. Ein simples Beispiel hierfür ist etwa die Kleidungsindustrie, deren Produktionsmethoden verheerende Auswirkungen auf Umwelt, Klima, lokale Gesellschaft und die Einhaltung der Menschenrechte hat. Auch die (geplante) Kurzlebigkeit und eingeschränkte Reparaturmöglichkeit von Smartphones führt zu enormen Ressourcenproblemen und Menschenrechtsverletzungen in Abbauländern. Während politische Maßnahmen wie Lieferkettengesetze in diesem Kontext natürlich große Veränderungen herbeiführen könnten, tragen auch wir mit unseren Konsumentscheidungen dazu bei, dass sich Dinge ändern – wie an der derzeit steigenden Nachfrage nach fair und sozial produzierter Kleidung oder dem Aufstieg von Second-Hand-Plattformen sichtbar wird. Die Corona-Zeit hat uns alle vor neue Herausforderungen gestellt. Was hat sich dadurch für die Erreichung der SDGs verändert? Was können wir vielleicht aus der Krise lernen? Die Pandemie hat zahlreiche gesellschaftliche Herausforderungen zutage gebracht oder verstärkt: Angefangen beim Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Versorgung, über soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten bis hin zu Umweltaspekten. Besonders verheerend waren und sind die Auswirkungen der Krise in jenen Ländern, in denen Arbeitnehmer-Schutz und soziale Absicherung fehlen und unzähligen Menschen die Lebensgrundlage entzogen wird. Die Erreichung der Ziele wurde damit zweifellos verlangsamt. Gleichzeitig zeigt sich dadurch einmal mehr, dass sozial faire, zirkuläre und klimaneutrale Wirtschaftsweisen dringend nötig sind. Darüber hinaus wurde deutlich, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel, ein Vorgehen gegen Wildtierhandel und ein Schutz von Biodiversität und natürlichen Lebensräumen wesentliche Faktoren sind, um die Entstehung und Verbreitung von Pandemien zu verhindern.
Die Agenda 2030 und die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung bieten uns bereits den Rahmen, um genau diese Herausforderungen in Angriff zu nehmen. Gerade in Zeiten der Krise ist es nun zentral, vernetzt zu denken, die Weichen neu zu stellen und gezielt auf die Erreichung der SDGs hinzuarbeiten. Denn eine resilientere Welt bietet nicht nur eine erhöhte Lebensqualität für alle, sondern ist auch weniger anfällig für Krisen. Web-Tipps: www.sdgwatch.at/de https://sdgs.un.org Fotos: Unsplash, Pexels, Ispo, Patagonia, SDG Interview: Sarah Langoth
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