Wurmpesto, Heimchenmehl? Oder doch lieber Heuschrecken direkt als Snack? Vergessene Lebensmittel: über Insekten als Fleischersatz und ihre ungeahnten Möglichkeiten - ein Interview! Mehlwürmer, Heimchen, Wander-Heuschrecken: das Menü wirkt auf den ersten Blick ein wenig ungewöhnlich. Christoph Thomann (Foto unten - ganz links) von „Zirp Insects“ hat uns kosten lassen und uns erklärt, wie Insekten ein Weg in die Nachhaltigkeit sein können und was für eine Rolle sie in der zukünftigen Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung spielen. Insekten zu essen ist in der klassischen europäischen Kochkultur doch eher unüblich - woher kam die Idee? Die Idee, Insekten zu essen, hatte nicht ich, sondern schon der Urmensch! Uns würde es alle, so wie wir jetzt sind, gar nicht geben, hätten unsere Vorfahren nicht immer schon Insekten gegessen. In Europa und Amerika ist das Essen von Insekten vor einigen hundert Jahren mehr oder weniger in Vergessenheit geraten, weil Fleisch für immer mehr Menschen leistbar wurde. Damit wurde aber früher oder später auf die Ressourcen anderer Kontinente zurückgegriffen, sonst wäre unser Fleischkonsum in dem Ausmaß gar nicht möglich. Wir haben also angefangen, über unsere Möglichkeiten hinaus zu leben und zu konsumieren. Seit einigen Jahren wird immer mehr klar, dass sich das für uns in Europa und vor allem weltweit betrachtet so nicht weiter ausgehen wird! Fleischproduktion ist ohne Frage relativ aufwendig, teuer und bringt einige Probleme mit sich - wie schätzt ihr die Rolle von Insekten in der zukünftigen Proteinversorgung der wachsenden Weltbevölkerung ein? Insekten brauchen um ein Vielfaches weniger an Ressourcen. Dafür liefern sie sehr viel Protein, verglichen mit klassischer Fleischproduktion. In Europa haben wir de facto alle Ressourcen, um Insekten recht einfach zu züchten! Was wir jetzt tun wollen, ist den Leuten zu zeigen, dass Insekten durchaus eine Alternative sind. Außerdem müssen wir in Europa auch Vorbild für sich entwickelnde Länder in Afrika und Asien sein: das große Vorbild dort ist der westliche Mensch mit all seinen Konsumgütern. Wenn wir einen solchen massiven Fleischkonsum vorleben und alle Menschen danach streben es genauso zu machen, bräuchten wir 6 oder 7 Planeten, um alle in dem Maß zu versorgen. So geht es also auf keinen Fall weiter: der erste Schritt ist eben einmal, die Leute aufzuklären, ihnen diese Alternative zu zeigen, sie kosten zu lassen - hier stoßen wir natürlich auch auf viele Vorurteile, das sehen wir aber als unsere Hauptaufgabe. Was haben Insekten zur Bereicherung unseres Speiseplans zu bieten. Sind Insekten gesund? Abgesehen von viel hochwertigem Protein, findet man in Insekten viel ungesättigte Fettsäuren, essenzielle Aminosäuren, Vitamine und Mineralstoffe - also ja, definitiv! Was hat dich letztendlich davon überzeugt, Insekten zum Inhalt deines beruflichen Schaffens zu machen? Zum Einen war da mein Drang zur Weltverbesserung. Zum Anderen der Drang Dinge zu tun, die sonst keiner tut! Dann war natürlich auch die Überzeugung, aus all dem ein spannendes Business-Model machen zu können. Mich hat das Thema vom ersten Moment an fasziniert - zwar war mein allererster Gedanke "Sicher nicht, das würde ich nie essen!", als mir ein Freund davon erzählte. Aber genau diese Diskrepanz war es, die mich über Nacht schon von der Idee überzeugt hat - nicht nur weil wir einfach lustig sind, sondern aus der Überzeugung heraus, dass es solche Ideen dringend braucht: Menschen aufzuklären, andere Möglichkeiten aufzuzeigen. Klar könnten wir auch einfach sagen: "Iss weniger Fleisch", das wird aber nicht funktionieren - wir müssen Alternativen anbieten! Wir können selbst entscheiden, wie wir leben wollen und wohin unsere Zukunft führt. In ein paar Jahrzehnten wird Fleisch vielleicht schon gar nicht mehr leistbar sein, weil es eine derartige Nachfrage gibt. Wie können wir uns den Geschmack eines Mehlwurms oder einer Heuschrecke vorstellen? Die Insekten werden gefriergetrocknet, sind also trocken und knusprig und haben einen dezenten, nussigen Geschmack. Generell harmonieren sie mit den meisten Aromen, da sie nicht sehr viel Eigengeschmack haben. Woher kommen eure Insekten? Unsere Insekten kommen aus verschiedenen Produktionen in Europa. Die Wanderheuschrecke zum Beispiel kommt aus Vorarlberg. Unser Ziel ist es, direkt in Wien zu züchten, das ist momentan mit unseren Ressourcen noch nicht möglich. Wir arbeiten aber daran, mit verschiedenen Partnern in Österreich Kooperationen und Betriebe aufzubauen, damit in Zukunft unsere Insekten auch möglichst regional gezüchtet werden. Die meisten Leute würden wahrscheinlich im ersten Moment vor Ekel zurückschrecken - woher glaubt ihr kommt überhaupt dieser Ekel vor Insekten? Wir haben in den letzten fünf Jahren so ziemlich alle Strategien ausprobiert, um Leuten den Ekel zu nehmen - das Sinnvollste bleibt immer noch: einfach kosten! Bei unseren Pop-Ups zum Beispiel, bieten wir Speisen mit Insekten als Zutat an. Da kommen die Gäste dann schnell drauf: Das schmeckt richtig gut! Der Ekel vor Insekten kommt vom Ekel vor Unbekanntem generell. Wir sind bei unserer Nahrungswahl von Natur aus skeptisch, bevor wir Neues ausprobieren. Dazu kommt unsere Erziehung: Insekten krabbeln am Boden, werden mit Ungeziefer, Unhygiene und Verderb assoziiert. Das sind alles Faktoren, die dann in unserem Kopf dazu führen, dass wir uns ekeln. All das hat mit gezüchteten Insekten natürlich Nichts zu tun, die werden unter sehr hygienischen Umständen und strengen Auflagen gehalten.
Die Meisten verstehen aber recht schnell, dass Ekel nur im Kopf existiert und sind auch rasch vom Gegenteil überzeugt, sobald sie kosten. Was uns schmeckt oder vor was wir uns ekeln, ist erlernbar und Ergebnis unserer kulinarischen Erziehung! Dazu kommen natürlich eine Menge gute Argumente, die Insekten einfach zu einem wertvollen Lebensmittel machen, für das es wert ist, über den eigenen Schatten zu springen und einfach zu probieren! Wer trotzdem nicht hinsehen kann: Insekten funktionieren auch super als Mehl oder Produktzusatz! Gibt es große Nachfrage nach euren Insekten oder sind die Leute noch eher skeptisch? Es kommen immer mehr Menschen, die einfach neugierig sind, unsere Speisen oder Produkte ausprobieren und das super finden. Viele kommen auch, weil sie auf Reisen Insekten gegessen haben, und wissen wollen, wie das mit der europäischen Küche zusammenpasst. Es gibt aber auch Leute, die uns auf irgendwelchen Veranstaltungen zum ersten Mal sehen und einen Tobsuchtsanfall bekommen, und meinen, das sei totaler Schwachsinn - wir bekommen also alle Reaktionen, quer durch die Bank. Web-Tipp: www.zirpinsects.com Fotos: Zirp Insects Interview: Sarah Langoth
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