Auch den Fischen setzt der Klimawandel zu. Was braucht es, um den Wasserkreislauf für nachfolgende Generationen natürlich und gesund zu erhalten? Und welche wichtigen Erkenntnisse liefert der „gläserne Fisch“? Fisch-Experte und Ökologe Michael Schabuss im Interview... Lieber Herr Schabuss, Naturschutz höre zumeist an der Wasseroberfläche auf, beklagen viele Ökologen. Alles was Gefieder und Fell hat, werde dagegen als eher schützenswert erachtet. Wie könnten Unterwassertiere, die genauso wichtig für das Ökosystem sind, stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt werden? Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit ist in jedem Fall notwendig. Vor allem Informationen über die komplexen Zusammenhänge in der Gewässerökologie und deren Organismen sollten einem breiteren Publikum einfach und verständlich dargebracht werden, beispielsweise in Fernsehdokumentationen wie „Universum“ oder „Terra Mater“ oder in Tageszeitungen in Form von Specials bzw. Info-Serien. Wichtig sind aber auch Informationsveranstaltungen vor Ort bei Restaurierungsprojekten. Der Klimawandel setzt auch den Fischen zu. Das wirkt sich auf Nahrungsangebot, Sauerstoffgehalt oder Krankheiten aus. Hinzu kommen Regulierungen und Verbauungen. Laut BM für Nachhaltigkeit und Tourismus sind rund die Hälfte (54 %) der österreichischen Flüsse „stark beeinträchtigt“. Was braucht es, um einen gesunden Öko- und Wasserkreislauf zu erhalten? Vor allem im alpinen und voralpinen Raum sind die Auswirkungen des Klimawandels sehr ausgeprägt. Extremniederschläge und Dürreperioden setzten den aquatischen Organismen verstärkt zu. Neben den allgemeinen und globalen Anstrengungen den Klimawandel einzudämmen (CO2-Emissionen reduzieren etc.), gilt es für Gewässersysteme mehr Raum zu schaffen. Grundsätzlich gilt: je natürlicher – vor allem in Bezug auf hydromorphologische Parameter (= tatsächlich vorhandene Gewässerstrukturen und das damit verbundene Abflussverhalten eines Gewässers, Anm.) - ein Gewässersystem ist, desto stärker ist seine Widerstandskraft gegenüber Störungen bzw. Extremereignissen. ![]() Neben Wassermenge und -verfügbarkeit, die nur teilweise anthropogen steuerbar sind, ist die „Natürlichkeit des Gewässerbetts“ von Bedeutung. Das heißt: der Fluss/Bach braucht Beweglichkeit und die Möglichkeit bei Hochwasser seitlich auszuweichen. Dies wird durch die oft weiträumige Kanalisierung und Begradigung/Verbauung der Gewässer verhindert. Daher kann das Wasser zwar schneller abrinnen, führt aber in stromab gelegen Gewässerbereiche früher oder später zu verstärkten Überschwemmungen. Neben der lateralen (=seitlichen) ist auch die „longitudinale“ (=längsverlaufende) Konnektivität der Gewässer für aquatische Organismen wichtig. Eine Wiederherstellung dieser Durchgängigkeit fördert deren Entwicklung. Klein- und großräumige Gewässer-Renaturierungen können helfen die strukturellen Defizite zu verringern. Aber dabei ist Zeit ein wichtiger Faktor: Man kann nicht erwarten, Gewässer die über hunderte Jahre vom Menschen verändert wurden, innerhalb weniger Jahre zu „reparieren“. Fische wollen wandern, um zu ihren Laichplätzen zu gelangen. Dazu brauchen sie „Barrierefreiheit“. Was sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Installation nachhaltiger „Fischwanderhilfen“? Wichtig sind Form, Positionierung und Auffindbarkeit des Einstiegs der Fischwanderhilfe. Aber auch auf die Ausführung/Form der „Wanderhilfe“ kommt es an, wobei möglichst naturnahe Beckenpässe und Umgehungsgerinne zu bevorzugen sind. Gibt es ein besonders gutes Beispiel einer erfolgreichen Fischwanderhilfe bei einem Donau-Kraftwerk? Zur Zeit „monitoren“ wir die Fischwanderhilfe (FWH) beim Kraftwerk Greifenstein in Niederösterreich. Diese Fischwanderhilfe wurde im März 2018 fertiggestellt. Das Monitoring ist zwar noch nicht ganz abgeschlossen – es läuft noch bis Mitte Jänner 2020 -, aber erste Ergebnisse weisen auf eine erfolgreiche Fischwanderhilfe hin. Stichwort „Gläserner Fisch“: Dank Fisch-Monitoring und „ge-chipter Fische“ können Ökologen heute wichtige Erkenntnisse zum (Wander-)Verhalten der Fische gewinnen. Wie funktionieren diese sogenannten „Fisch-Reusen“ und welche Ergebnisse waren bisher besonders interessant? Im Zuge des oben genannten Monitorings der FWH beim Kraftwerk Greifenstein wurden bereits mehrere tausende Fische aus 43 Arten mit PIT-Tags „ge-chipt“. Diese Fische wurden entweder in der Donau unterhalb des KW Greifenstein bzw. in der Fischwanderhilfe (Umgehungsgerinne) selbst gefangen und ge-chipt. Es handelt sich um Fische bis 10 cm Totallänge. Mittels 2er Antennen im unteren und oberen Bereich des rund 4 km langen Umgehungsgerinnes der Fischwanderhilfe, werden die gechipten Fische permanent registriert. Damit können die Wanderbewegungen der individuellen Fische permanent verfolgt werden. Erste Ergebnisse zeigen, dass besonders zur Laichzeit im Frühjahr, aber auch im Herbst, verstärkte Wanderbewegungen erfolgen. Besonders interessant ist die Tatsache, dass auch Fische die bei der Fischwanderhilfe in Wien-Nussdorf markiert wurden, in der Fischwanderhilfe bei Greifenstein in der Reuse wiedergefangen bzw. mittels Antennen registriert wurden. Darunter waren auch kleinere Arten, wie Rotauge und Gründling, von denen weitere Wanderungen bisher wenig bekannt waren. Wie steht es um Artenvielfalt und „Gesundheit“ der Fische in den heimischen Flüssen? Die Artenvielfalt ist derzeit nur in wenigen Flüssen einigermaßen zufriedenstellend. Dabei ist vorrangig die Donau unterhalb Wiens, mit einer freien Fließstrecke und einer noch zumindest teilweise verbundenen Auen-Landschaft zu nennen. Eine hohe Artenvielfalt ist nur in Gewässersystemen mit hoher struktureller Vielfalt zu erwarten. Also: nur eine große Habitatdiversität und -Verfügbarkeit ermöglichen den selbsterhaltenden Bestand vieler Fischarten. Neben der geringen strukturellen Vielfalt in vielen Fließgewässern in Österreich, sind es zusätzlich menschliche Beeinflussungen, wie unregulierte Wasserentnahmen, zu geringe Restwassermengen, unpassierbare Wanderhindernisse und ein teilweise ungeeigneter Fischbesatz bzw. einseitige Fischerei-Bewirtschaftung, der die Artenvielfalt beschränkt. ![]() Die Fischgesundheit wird in Österreich zwar relativ gut überprüft, aber dies geschieht vorrangig in Aquakulturanlagen. „Wildfische“ werden nur dann untersucht, wenn bereits ein Notfall - also Fischsterben - vorliegt. Neben Fisch-Besatz aus „verseuchten“ Betrieben, spielt auch der Klimawandel bei der Verbreitung von Fischkrankeiten eine Rolle. Durch die stärkere Erwärmung der Gewässer werden Krankheiten und Parasiten schneller verbreitet und erreichen auch Gewässer in höheren Lagen. Zur Verbreitung der „Proliferativen Nierenkrankheit“ der Fische (PKD), wurde von der BOKU Wien eine umfangreiche Studie an der Ybbs in Niederösterreich durchgeführt. Dabei konnten die Verbreitungsmuster der Krankheit deutlich aufgezeigt werden. Darauf basierend wurde (in Lunz) eine „Entseuchungs-Station“ eingerichtet, an der Wathosen und Angelausrüstung desinfiziert werden können, um die weitere Verbreitung der PKD einzudämmen. Ein stärkeres Bewusstsein über die Gefahr der Krankheitsverbreitung ist entsprechend bei Anglern und anderen Nutzern notwendig. Was braucht es am dringendsten, um die Flüsse als Lebensraum für Pflanzen und Tiere, aber auch als Wasserreservoir, Erholungsraum und „Energielieferanten“ für den Menschen zukünftig zu bewahren?
Es braucht ein klares Bewusstsein der Öffentlichkeit über die Bedeutung funktionierender Flusssysteme - sowohl in ökologischer und sozioökonomischer Richtung. Es braucht aber auch bessere Information über die „Service-Leistungen“ von intakten Fließgewässern für Mensch und Umwelt ist notwendig. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie, die vorschreibt dass alle Gewässer in Europa bis 2027 zumindest einen guten ökologischen Zustand aufweisen sollen, um auch für die nächsten Generation genutzt werden zu können, ist ein wichtiges Mittel, um den Schutz der Gewässer auch rechtlich zu gewährleisten. Die Umsetzung dieses sehr ehrgeizigen Ziel ist unbedingt voranzutreiben! Aber es braucht auch Zeit, damit ein „gestörtes System“ wieder natürlich(er) werden kann. Diesen Prozess muss man einfach abwarten... Danke für das interessante Gespräch! Web-Tipps: www.life-netzwerk-donau.at www.profisch.at Fotos: ProFisch, Verbund Interview: Helmut Wolf
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