Umweltbewusst und genussvoll Leben? Das sei kein Widerspruch. Österreichs Nachhaltigkeits-ministerin Elisabeth Köstinger im Interview über Gewohnheiten, Bequemlichkeit und kleine Schritte, die vieles verändern können... Sehr geehrte Frau Bundesministerin, wenn sie das Wort „Nachhaltigkeit“ einfach und verständlich definieren möchten, wie würde sie es umschreiben? Nachhaltig ist, was morgen noch Bestand hat. Auf politischer Ebene geht es darum, unsere Lebensweisen so zu gestalten, dass nachfolgende Generationen ein genauso lebenswertes Österreich vorfinden, wie es bei uns der Fall war. Der Klimawandel ist real, das hat auch dieser Sommer wieder gezeigt. Dürreschäden und der Borkenkäferbefall in unseren Wäldern aufgrund der Hitze setzen vor allem unsere Landwirtschaft stark zu. Deshalb war eines der ersten Beschlüsse der Regierung die Erarbeitung einer österreichischen Klima- und Energiestrategie. Ökologie, Ökonomie und Soziales muss gesamthaft betrachtet und in einen finanzierbaren und somit nachhaltigen Rahmen gestellt werden. Das Prinzip der Nachhaltigkeit sollte uns alle leiten, übrigens nicht nur in der Bundesregierung. Das heißt aber auch, sich nie zufrieden zu geben. Der Weg geht immer weiter. Wir brauchen noch mehr erneuerbare Energieträger, noch viel mehr Gebäudesanierungen und immer wieder auch Verhaltensänderungen. Was vor 10 Jahren ausreichend schien, ist es heute nicht mehr. Nachhaltigkeit bedeutet auch den Mut, Veränderungen immer offen gegenüber zu stehen. Klimawandel und Umweltveränderungen beschäftigen viele Menschen. Gleichzeitig klingen diese Themen abstrakt und „weit weg“. Was kann ihrer Meinung nach der Einzelne tun, um ein umweltbewusstes und gleichzeitig genussvolles Leben zu führen? Klimaschutz ist ein Projekt, das uns alle angeht. Nur wenn wir als Gesellschaft an einem Strang ziehen, können wir unsere Klimaziele auch erreichen. Zuerst müssen wir uns davon lösen, dass umweltbewusst und genussvoll im Widerspruch stehen. Da geht es viel um unsere Gewohnheiten und Bequemlichkeiten. Jeder muss seine eigene Lebensweise hinterfragen, ob und wie er umweltbewusster leben kann. Hier können kleine Schritte schon viel verändern, wie der Verzicht auf Plastiksackerl oder Plastikflaschen und die Nutzung von umweltfreundlicheren Alternativen. Politik schafft Möglichkeiten. Welche Rahmenbedingung wollen sie schaffen, damit der Bürger nachhaltig leben bzw. angehalten wird (umwelt-)bewusster zu leben? Die von der Bundesregierung beschlossene österreichische Klima- und Energiestrategie „#mission2030“ zeigt den Weg in eine klimafreundliche Zukunft für Österreich auf. Das war auch der Startschuss für das Ende des fossilen Zeitalters. Mit dieser Strategie läuten wir eine Wende ein. Es gibt gerade im Bereich der E-Mobilität und Wärmewende starke und neue Förderschwerpunkte. In Österreich gibt es noch rund 700.000 Ölheizungs-Anlagen. Das ist ein Problem. Wir zahlen 5.000 € „Raus aus dem Öl“-Bonus für den Umstieg auf eine alternative Heizform. Das kürzlich beschlossenen Plastiksackerlverbot ist ein weiterer Schritt. Auch im Bereich der E-Mobilität und alternativen Antriebsformen werden wir noch einige wichtige Schritte setzen. Hier sind wir im ständigen Austausch mit dem Verkehrsministerium. Der steigende Energiebedarf ist eine der großen Herausforderungen der Zukunft. Österreich zeichnet sich im Hinblick auf die Nutzung erneuerbarer Energien aus. Könnte sich die Alpenrepublik als Vorreiter grüner Technologien etablieren? Unser Ziel ist es, bis 2030 unseren Strom zu 100 % aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Im Gegensatz zu anderen Staaten, verzichten wir dabei komplett auf Atomkraft. Diese ist zwar CO2 neutral, aber aus unsere Sicht keine sichere Alternative für die Zukunft. Wir wollen, dass jedes Haus sein eigenes Kraftwerk werden kann. Deshalb investieren wir auch in den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen. Unser 100.000-Dächer Photovoltaik- und Kleinspeicher-Programm soll Anreize für eine verstärkte Nutzung der Dachflächen durch Photovoltaik-Modulefür Privatpersonen und Wirtschaftstreibende bringen. In Zukunft sollen dadurch Gebäude nicht nur hohe energetische Standards aufweisen, sondern vor allem eine aktive Rolle bei der Bereitstellung von Energie und deren Speicherung für die Eigenversorgung einnehmen. Basis dafür wird das neue„Erneuerbaren Ausbau Gesetzes 2020“ bilden, mit der wir unser Energiesystem nachhaltig umstellen. Als Politikerin stoßen sie sicher auf viele Hürden, Interessen und Widerstand. Was gibt ihnen täglich Mut und Kraft, die Dinge dennoch voran zu bringen? Jeder der etwas verändern will, stößt auf Widerstand. Bis zu einem gewissen Grad muss man sich daran gewöhnen – darf sich aber nie davon beirren lassen. Ich habe ein starkes Team hinter mir, auf das ich mich verlassen kann und dem ich 100-prozentig vertraue. Anders wäre dieser Beruf auch nicht möglich. Was mir persönlich hilft Kraft zu tanken, ist die gemeinsame Zeit mit meiner kleinen Familie. Die Zeit mit meinem kleinen Sohn und meinem Partner ist für mich unschätzbar wertvoll. Gibt es eine persönliche Gewohnheit, ein Tool, dass ihre nachhaltige Lebensweise umschreibt? Ich achte auch privat schon lange darauf, nachhaltig zu leben. Vor allem Einwegplastik habe ich, wo es geht, aus meiner Küche verbannt. Auch in meinem Büro versuchen wir zu Terminen öffentlich oder mit dem E-Roller zu fahren. Es sind die vielen kleinen Schritte, die jeder von uns leisten kann. Was würden sie rasch ändern, wenn sie es könnten? Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich die großen Klimasünder dieser Welt dazu bringen, mehr für den Klimaschutz zu tun. Auch wenn Österreich und Europa noch viel leisten kann, alleine wird uns das nicht gelingen. Dafür braucht es alle Staaten. Bei vielen sind aber Klimaschutz-Ambitionen noch in den Kinderschuhen. Hier braucht es viel Überzeugungsarbeit auf internationaler Ebene. Denn: Am Ende des Tages leben wir alle auf demselben Planeten. Zum Klimaschutz gibt es keine Alternativen, für keinen von uns. Wie lautet ihr Lebenskonzept? Geht nicht gibt’s nicht! Vielen Dank für das interessante Gespräch! Web-Tipp: https://mission2030.info Fotos: BMNT / Paul Gruber, Christopher Fuchs, Alexander Haiden, UBA/Gröger Interview: Helmut Wolf
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