Kleiderkreisel, Foodsharing, Car2go... In vielen Lebensbereichen wird geteilt. Die „Sharing Economy“ boomt. Was bedeutet die Teil-Ökonomie für die Zukunft unserer Wirtschaft und Gesellschaft? Analyse. Den nächsten Urlaub, ein Hotel buchen? Auf ins Reisebüro. Ein gebrauchtes Auto suchen? Am besten den Kleinanzeigenteil der Tageszeitung zur Hand nehmen. Den überfüllten Schrank mit alter Kleidung aussortieren? Wo ist das nächste Second-Hand-Geschäft... Was noch vor ein paar Jahren Zeit und Recherche in Anspruch genommen hat, ist heute nur einen Klick oder ein kurzes Wischen über das Smartphone entfernt: vom Privatzimmer in London („Airbnb“), über die Reinigungskraft „in 60 Sekunden organisiert“ („Helpling“) bis hin zum Auto für den nächsten Urlaub („Zipcar“) oder dem günstigen Designer-Kleidungsstück – „in nur 1 km Entfernung abzuholen“(„Shpock“). Fairleihen, Airbnb, MyHammer, FragNebenan, Uber, Lendico... Online-Mietkonzepte, Nachbarschaftsportale, Tauschbörsen, Finanzierungs- und Vermittlungsplattformen, Carsharing-Anbieter sind in den vergangenen Jahren massiv angewachsen. Die digitalen Marktplätze der „Sharing Economy“ machen es einfach wie noch nie, Gegenstände und Dienstleistungen zu organisieren: von der Bohrmaschine, über Wohnungstausch und Autoverleih bis zum Handwerker und der Kreditvermittlung. Der Teil- und Tausch-Boom mag zum einen wirtschaftliche Ursachen haben, zum anderen aus ökologischen Gründen entstanden sein. Mit Sicherheit hat die Sharing Economy ein neues soziales „Wir-Gefühl“ entstehen lassen. Motto: „Sharing is caring“. „Der Anreiz zum Tauschen und Teilen sei die Erkenntnis, dass wir beim Konsum eine kritische Masse erreicht haben“, sagt Michael Kuhndt, Leiter des „Zentrums für nachhaltigen Konsum und Produktion“ am Wuppertal Institut: „Viele Menschen sehnen sich nach Vereinfachung“, so Kuhndt. „Und: wir lernen beim Tauschen andere Menschen mit einer ähnlichen Lebensphilosophie kennen.“ Die Sharing Economy vernetzt und verbindet (umweltbewusste) Menschen, aber sie erfüllt auch die Sehnsucht nach einem einfacheren Leben. Gemeinschaftlicher Konsum erfüllt das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und verlorengegangenen Vertrauen - gegenüber „dem System“. Welche Auswirkungen hat die Sharing Economy? Auf unser Leben, unsere Wirtschaft und Arbeitswelt? Die Dynamik ist hoch und beeinflusst mittlerweile viele Branchen: Wohnen, Mobilität, Finanzen, Lebensmittel, Bekleidung, auch Dienstleistungen wie Putzdienste und die Baubranche sind „betroffen“. Auch wissensintensive Bereiche, wie Unternehmensberatung, Werbung, Grafik, Design und Softwareprogrammierung bleiben von - Smartphone-gestützten - Sharing Economy-Netzwerken nicht unberührt. Im Gegenteil. Die Investitionen der profitorientierten Sharing Economy-Start-ups sind, laut Deloitte, von 300 Millionen US-Dollar im Jahr 2010 auf 6 Milliarden US-Dollar im Jahr 2014 angestiegen. Tendenz steigend. Wie schaffen wir faire (Arbeits-)Bedingungen? Welche Chancen und Risiken entstehen durch den Trend der „Meins-ist Deins“-Wirtschaft? Das Prinzip des Tauschens und Teilens ist an sich nichts Neues. Unternehmen und Privatpersonen haben immer schon Güter und Dienstleistungen geteilt und getauscht. Die Innovation ist jedoch: die digitale Technik. Via Computer, Tablet und Smartphone ist das kleinteilige, kurzfristige Teilen, Leihen und Verkaufen von Gütern, Gebrauchsgegenständen und Dienstleistungen lohnenswert geworden. Sharing wird jedoch oft auch als „geschönter“ Begriff verwendet. Beispielsweise wenn es um einfache Dienstleistungsvermittlung“ (Reinigung, Handwerker...) geht, „bei der nicht geteilt, sondern einfach bestellt wird“, schreibt Simon Schumich in seinem Buch „Sharing Economy – Die Ökonomie des Teilens aus Sicht der Arbeitnehmerinnen“. Ausweitung auf andere Branchen. Schon heute lässt sich eines sagen: die Digitalisierung wird die Sharing Economy weiter antreiben - und verstärken. Was heute Car2go, DriveNow, Zipcar & Co. im Mobilitätsbereich erfolgreich praktizieren und „teilen“, wird auf andere Branchen ausgeweitet werden. Finanzwirtschaft, Gewerbe und Handwerk, Maschinen- und Metallindustrie, Anlagenbau, aber auch Dienst-, und Beratungs- und Weiterbildungsleistungen werden unter dem Dachbegriff Sharing Economy neu geordnet, sieht Autor und Wirtschaftsexperte Simon Schumich den weiteren Trend. Vertrauen als neues Kapital. Das Fundament auf der die Teil- und Tauschkultur fußt, ist, da sind sich alle Experten einig: Vertrauen. Vertrauen und Digitalisierung als neues Kapital und Treiber der Sharing Economy. Die digitale Teil-Kultur beruht darauf, dass fremde Personen mithilfe von Online-Plattformen zueinander Vertrauen entwickeln, um Güter und Dienstleistungen günstiger, einfacher und schneller zu tauschen, verkaufen – oder zu verschenken. „Wer teilt, nimmt Anteil“. Ob gemeinschaftlich oder gewinnorientierte Sharing Economy-Plattform: am Ende wird es darum gehen, den Nutzen für alle Menschen deutlich spürbar zu machen und faire, sozial verträgliche Marktbedingungen zu schaffen. Ein Slogan könnte deshalb lauten: „Wer teilt, nimmt Anteil – am Leben, an der Gesellschaft und an der Zukunft!" Web-Tipps: www.foodsharing.de (Lebensmittel teilen) www.myhammer.de (Handwerker-Portal) www.mila.com (Technische Installationen) www.helpling.com (Reinigungskräfte) www.fragnebenan.com (Nachbarschaftsplattform) www.fairleihen.de (Ausleihen in der Nachbarschaft) www.lendico.com (Geld leihen) www.kleiderkreisel.de (Second-Hand-Kleidung) www.shpock.com (Flohmarkt-App) www.airbnb.com (Reisen) www.couchsurfing.com (Reisen/Wohnung tauschen) www.car2go.com (Carsharing) www.drive-now.com (Carsharing) www.zipcar.com (Carsharing) Buch-Tipp: „Sharing Economy – Die Ökonomie des Teilens aus Sicht der Arbeitnehmerinnen“ Autor: Simon Schumich 88 Seiten Erschienen im: ÖGB Verlag Fotos: Kleiderkreisel, fragnebenan, Shpock, Zipcar, Car2go, Techgenyz.com, Toban Black/Flickr
Text: Helmut Wolf
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