Konsum, Tourismus, Wirtschaft... Alles ist plötzlich anders. Und vieles möglich, was vor kurzem undenkbar war. Eine große Chance - besonders für den Klimaschutz! Politökonomin Maja Göpel (Foto) glaubt daran, wenn die richtigen Schlüsse aus der Corona-Pandemie gezogen werden... Pfleger, Ärzte, Supermarkt-Verkäuferinnen... „Die meisten der Jobs, die sich in dieser Krise als unverzichtbar erwiesen haben, kosten - anders als die Autoproduktion - nicht viel Natur“, sagt Maja Göpel. Und fragt sich: Wo ist der Mobilitätsgipfel? Wo ist der Gipfel zur Arbeit der Zukunft? Anstatt über „Kaufprämien für Autos“ und „Einkaufsgutscheine für alle“ zu diskutieren, bräuchte es ein grundsätzliches Überdenken von Wohlstand und Wirtschaftsparadigmen. Gilt Massenkonsum weiterhin als Maß aller Dinge? Braucht es Wachstum, koste es was es wolle? Und: Ist uns Globalisierung jeden (Dumping-)Preis Wert? „Wenn die Menschen fast nur noch das kaufen, was sie wirklich brauchen, wird es problematisch für unser (bisheriges) Wirtschaftssystem“, sagt Göpel, die in Deutschland als Generalsekretärin des „Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) tätig ist. „Mehr Zeit!“ Das haben sich schon vor Corona die meisten Menschen gewünscht. Mehr Zeit und Muße zu haben, für Familie, für seine Liebsten, für genussvolle Beschäftigungen, das war einer der „positiven Erfahrungen, die die Bevölkerung in dieser so bitteren Corona-Zeit gemacht haben“, umschreibt es Göpel in einem Beitrag für „Die Zeit“. „In unserer heutigen Welt kommen nahezu gleichzeitig überall Systeme unter Druck, die über Jahrzehnte verlässlich funktioniert zu haben scheinen“, schreibt die Nachhaltigkeitsexpertin in ihrem neuen Buch „Unsere Welt neu denken: Eine Einladung“. Energie, Nahrung, Medikamente, Sicherheit... Von allem gab es immer mehr. Auch Fortschritt, Frieden und Wohlstand sind angewachsen. Gleichzeitig, so Göpel, haben wir alle gespürt, dass ein „Weitermachen wie bisher“ nicht funktionieren wird. „Es ist nicht nur der Klimawandel, das Plastik in den Weltmeeren oder die Massentierhaltung. Es sind auch die explodierenden Mieten in den Städten, wild gewordene Finanzmärkte und der immer größer werdende Graben zwischen Arm und Reich, die uns Angst und Sorgen machen“, so die deutsche Politökonomin und Transformationsforscherin. Statt Vertrauen in die Zukunft, verspüren die Menschen heute vermehrt Unsicherheit, Desillusionierung und oftmals Resignation... Welches Problem soll als Erstes gelöst werden? Maja Göpel ist überzeugt davon, dass es möglich ist, mehrere Probleme gleichzeitig zu lösen. Wie? Jeder Einzelne kann dazu seinen Beitrag leisten: „Ich möchte sie einladen, die Welt, in der sie, ich, wir alle leben, genauer anzuschauen, um das, was in ihr möglich ist, wieder neu zu denken“, spricht Göpel eine „Einladung“ aus. Viele technologische Durchbrüche sind aus der Not heraus entstanden, eine Alternative zu finden, so ihre Analyse. Beispielsweise die erneuerbaren Energien. Oder auch gesellschaftliche Umbrüche, wie Frauenwahlrecht und Gleichberechtigung, sind aus der Überzeugung entstanden, dass die Dinge sich doch anders gestalten lassen. Die Wirtschaft schrumpft. Der CO2-Ausstoss schrumpft auch. Dies sind zwei Fakten seit Ausbruch der Corona-Pandemie. „Geht es der Wirtschaft schlechter, geht es dem Klima und der Umwelt besser“, sagt Politökonomin Göpel. Wenn die Ökonomie so bleibt, wie sie bisher war, wenn wir wieder zurückkehren zum „braunen, fossilen Wachstum“, zur Klimakrise, zum Insektensterben..., wäre das fatal. Auch das Mantra der Globalisierung sollte hinterfragt werden: „Wäre es nicht besser, wenn manche Dinge in der Nähe und für die Menschen in der Nachbarschaft produziert werden: Medikamente beispielsweise oder auch Lebensmittel?“, stellt sie das globale Wirtschaftssystem in Frage. Denn: Sieht man sich die Entwicklung der Umwelt an, so gibt es offensichtlich ein Zuviel der Globalisierung... „Statt immer nur die Folgen von Krisen mit moderner Technologie zu bekämpfen, müssen die Gründe stärker in den Blick genommen werden“, sagt die Nachhaltigkeits-wissenschaftlerin. Nicht die Symptome gelte es zu lindern, sondern die Ursachen zu begreifen. „Wenn die Ausbreitung von Seuchen auch durch zerstörerischen Umgang mit der Natur - und durch globale Vernetzung – erleichtert wird, dann bedeutet moderne Gesundheitsvorsorge besonders zweierlei. Erstens: Wilde Tiere und Ökosysteme müssen besser geschützt werden. Und Zweitens: Lebensmittel müssen umweltfreundlich, am besten in der Region, produziert werden“, so Göpels Einschätzung. Warum nicht EU-Landwirtschaftsmilliarden „endlich(!)“ an ökologische Kriterien knüpfen? Wenn wir also verstehen wollen, wie es passieren konnte, dass die Menschheit den Planeten in der Lebensspanne zweier Generationen an den Rand des Kollapses gebracht hat, dann müsse man sich Ideen, Strukturen und Regeln (wieder) bewusst machen. Was „bewusst machen“ bedeutet, beantwortet Maja Göppel so: „Zu erkennen, was man tut, und zu fragen, warum man es tut“. Denn: Wer nicht hinterfragt, was und warum er etwas tut, könne sich auch nicht entscheiden, anders zu handeln... „Alle Menschen, die ich kenne, wünschen sich Liebe, Frieden, die Überwindung von Armut und eine schöne, sichere Umwelt. Warum machen wir das dann nicht einfach?“, so ihre verblüffend einfache, wie schlüssige Erkenntnis. Da kann man nur sagen: Richtig! Am besten noch heute damit beginnen all dies „einfach“ umzusetzen... Buch-Tipp: Titel: „Unsere Welt neu denken – Eine Einladung“ Von: Maja Göpel Erschienen bei: Ullstein Verlag Fotos: Kai Müller (Titel), Akil Mazumder, Matheus Bertelli, David Dibert / Pexels; William Bossen, Paddy O'Sullivan, Bernard Hermant, Ethan Hu, Koushik Pal / Unsplash; Tania Van den Berghen / Pixabay, Davide Bonazzi (Illustration), Chloe Thurlow Quelle: Die Zeit Text: Helmut Wolf
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