Kühe, Gras, Gott und die Welt. Rund hundert Tage lebt Bauer und „Almliterat“ Sepp Kahn, 64, jedes Jahr allein auf seinen zwei Almen. Über Einfachheit als wahrer Luxus und Genügsamkeit als Quelle der Zufriedenheit... „Ein Banker sitzt auf einer Bank. Ein Gesunder wird plötzlich krank. Ein Musiker bekommt schlechte Noten. Das sind keine guten Boten. Ich jedoch, so Ende Mai, pack zusammen allerlei. Zieh auf die Alm. Mit Vergnügen. Lass Sorg und Hektik unten liegen. Betreue Kühe, Kälber, Ziegen, Sauen, und kann dabei in den Himmel schauen.“ Sepp Kahn, Almliterat & Senner Sepp Kahn liebt die Handarbeit. Kühe, Geißen und Schweine bekommen täglich eine „persönliche Ansprache“ und viele Streicheleinheiten. Wenn Besucher auf die Alm kommen werden sie liebevoll mit einer Brettljause versorgt. Käse und Butter werden ebenfalls selbst per Hand produziert, wie auch die vielen kleinen und großen Arbeiten, die täglich in der gemütlichen Almhütte anfallen. Und auch seine Texte schreibt Almliterat Sepp Kahn fein säuberlich per Hand nieder. „Es ist gut, wie es ist“. In dem rund 300 Jahre alten Gemäuer hier auf dem Berg findet Kahn genügend Ruhe und Ideen zu seinen Geschichten. Nicht, weil er dort auf der faulen Haut liegt. Das tut er zwar auch, wie er sagt, sondern bei der Arbeit. Das Tagwerk beginnt frühmorgens um halb sechs, und erst am Abend gegen sieben Uhr ist Schluss. „Ich habe jeden Tag frei“, schmunzelt der 64jährige. „Mal mehr, mal weniger. Und im Winter kann ich Skitouren gehen, wenn der Schnee fällt und nicht dann, wenn alle frei haben und es taut. Es ist gut, wie es ist." Die Almhütte als „Sehnsuchtsort“. Von Juni bis September verbringt Sepp Kahn jedes Jahr in seiner Almhütte. Er genießt die Abgeschiedenheit, die archaische Kraft der Berge, die pure Einfachheit. Es ist ein idyllischer Ort, ein „Sehnsuchtsort“ auf rund 1.600 Höhenmeter, gelegen an der Sonnenseite des Lärchenbergs im Tiroler Windautal. Das auch „Windau“ genannte südliche Seitental des Tiroler Brixentales liegt in den Kitzbüheler Alpen. Der Kontrast zwischen „Moderne“ im Tal und Ursprünglichkeit am Berg wird hier besonders deutlich spürbar. Butter und Käse selber produzieren. Kahn verrichtet auf der Alm kleinteilige Landwirtschaftsarbeit. Er hütet Kühe, Schweine und Ziegen. Aus der Kuhmilch macht er Butter und Käse für den Verkauf und den eigenen Bedarf. Die Milch der Ziegen trinkt er selbst oder bietet sie Wanderern und Besuchern an. Die mit Molke gefütterten Schweine werden nach dem Sommer geschlachtet. Sepp Kahn verrichtet jene traditionelle Arbeit eines Bauers und Senners, die so gar nicht in das Bild der ökonomisierten Welt passt. Der Aussteiger und das „Kasen“. Pro Saison „käst“ er 300 Kilogramm Tilsiter. 100 Kilogramm Butter „stampft“ er jeden Sommer. Das wissen die Leute, bestellen vor und wandern zu ihm hinauf, um die frische Kost gleich mitzunehmen. Wenn der Aussteiger die nächste Etappe des „Kasens“ („Käseherstellung“) einleitet, setzt er er seine Kappe auf, schöpft mit der Kelle aus dem großen Kupferkessel die Molke ab, deckt das weißgelbe Gold ab, putzt den Kessel und öffnet die Tür zum Kühlschrank. Kahn braucht hier keine eigene Kühlanlage, denn die jahrzehntealten Steinmauern liefern die beste Temperatur, damit der Käse ideal heranreifen kann. Geht die Sonne auf, beginnt der Tag... Sepp Kahn ist heute 64 Jahre alt. Ein stattlicher Mann, hoch gewachsen, kräftig in den Armen. Er hackt das Holz mit leichter Hand, ist flink auf den Beinen, wenn er barfüßig zur Hochalm eilt, um nach dem Jungvieh zu sehen. Geht die Sonne auf, beginnt für ihn die Arbeit, geht die Sonne unter, legt er sich schlafen. Tiere versorgen, Wanderer bewirten... Manchmal besuchen ihn auch ein paar Freunde zum Kartenspielen. Einige Bücher hat der „Almliterat“ schon geschrieben. Sie tragen Titeln wie: „Ein Bauer auf Kur und andere Kurzgeschichten“, „Heiles Land“ oder „In Ewigkeit Amen“. Einige Kriminalromane sind dabei („Der Mörder schläft nebenan“). Alle Bücher, inklusive sein erfolgreiches „Almtagebuch“ hat er mit der Hand geschrieben. Die ausgefüllten Tage und langen Abende auf der Alm scheinen viel Inspiration für Geschichten zu liefern. „Ich lass’ die Leute gerne lachen“. Warum er seine Bücher mit der Hand schreibt? Mit einem Computer wolle er sich nicht beschäftigen. Was aber nicht heißt, dass er sich nicht mit der Welt von heute auseinandersetzt. Im Gegenteil. Mit Ironie und Humor prangert er Profitdenken, Ignoranz und Oberflächlichkeit an. „Ich lass‘ die Leute gerne lachen, bis sie dann merken, dass sie selbst gemeint sind und zum Nachdenken anfangen“, lächelt Sepp Kahn. Einen Schritt zurück, um weiter zu kommen... Sepp findet interessant, dass ältere Bauern ihm rieten, die Alm zu vergrößern, während die Jungen wieder vermehrt das Schlichte, Einfache zu schätzen wissen. Es scheint einiges zu bewegen in der Welt und Gesellschaft. „Ich leb’ hier heroben bewusst rückständig“, sagt er. „Der Mensch muss wieder einen Schritt zurückmachen, wenn er weiterkommen will!“ All diese Gedanken sind ihm hier „heroben“ gekommen, wo er auch sein längst kultiges „Almtagebuch“ schrieb. „Zufriedenheit ist das Wichtigste...“ Wer „heroben“ bei Sepp Kahn auf der Almhütte sitzt, hat gleich das Gefühl auch einmal eine längere Zeit in den Bergen zu verbringen. Die beiden alten Holzbrunnen mit erfrischendem Nass stehen da wie ein freundliches Empfangskomitee. Mit Kahn, dem bärtigen Senner und Almliterat, zu plaudern und philosophieren entfaltet auf 1.600 Höhenmeter eine besondere Kraft. Man redet über Kühe, Gras, Gott - und die Welt. „I bin immer oafach geblieben. So hab i immer gnuag. Zufriedenheit ist das Wichtigste im Leben“. Wie wahr... Wander-Tipp: Mittelschwere Tages-Tour zur „Unteren Lärchenbergalm" von Sepp Kahn in Tirol. Ausgangspunkt: Steinberghaus, 889m, Endpunkt: Kelchsau Dorf, 622m (rd. 6 Std.) Fotos: Eduard Ehrlich Quellen: www.kitzbuehler-alpen.com, merian Text: Helmut Wolf
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8/18/2021 17:35:04
Das Leben hat mich gelehrt zu erkennen war glücklich und unglücklich macht und wo meine Stärken und Schwächen sind.
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