Leben auf einer Insel. Als einziger Bewohner. Seit über 30 Jahren lebt Mauro Morandi, 80, auf der kleinen Mittelmeer-Insel Budelli. Sein Lebenskonzept des „Weniger ist mehr“ inspiriert immer mehr Menschen. Porträt eines Aussteigers! Innehalten in der Morgensonne. Kein Mensch weit und breit. Mauro sitzt einfach nur da. Er blickt von einer kleinen Erhebung aus über die Insel Budelli. Das weitläufige Meer glitzert und strahlt. Es erfüllt mit Ruhe und Zufriedenheit. Manchmal fotografiert er diesen Moment und teilt ihn auf Facebook. Immer mehr Menschen sind mit Mauro „verbunden“. Dabei stellen sich grundsätzliche Fragen: Was braucht man, um glücklich zu leben? Wieviel Natur verträgt der Mensch? Und: Wieviel Mensch verträgt die Natur? Für den 80jährigen ist die Antwort klar: „Ich liebe die Natur. Und wenn ich mehr ansehe, was der Mensch anrichtet, mag ich die Tiere eigentlich mehr als die Menschen…“. Leben für den Moment. Einen Terminkalender besitzt der ehemalige Lehrer nicht. Wer ihn auf der Insel treffen möchte, soll einfach vorbeikommen, sagt er. Seit einiger Zeit besitzt er auch ein Mobiltelefon, da man ihn anrufen. Auf einer einsamen Insel stranden und dort alleine ein Leben aufbauen? Für ihn kein Wunschtraum, sondern Wirklichkeit. Seit drei Jahrzehnten lebt Mauro als einziger Bewohner auf der kleinen Mittelmeer-Insel Budelli. Die Insel gehört zum „La-Maddalena-Archipel“, einer italienischen Inselgruppe im Tyrrhenischen Meer vor der Nordostküste Sardiniens. Er besteht aus etwa 62 Inseln, zwischen Sardinien und Korsika. Fähren verkehren hier nicht. „So viele Jahre alleine auf der Insel, da muss man die Insel und dieses Leben schon sehr lieben“, sagt Skipper Paolo. Paolo bringt ihm immer wieder Wasser und Lebensmittel vorbei und philosophiert mit ihm über Gott und die Welt… Vor 30 Jahren hatte Mauro seinen Lehrerjob an den Nagel gehängt. Seine Töchter waren aus dem Haus, die Ehe war zerbrochen. Mit dem Ersparten hat er sich ein Segelboot gekauft. Eigentlich wollte er Richtung Pazifik segeln - zum anderen Ende der Welt. Doch schon in italienischen Gewässern hat er seine Pläne über den Haufen geworfen: „Ich sah die Insel, und sagte mir: Da will ich leben.“ 1989 befand sich die Insel noch in Privatbesitz. Das einzige Haus war eine Steinhütte, die der Besitzer errichten ließ. Dort wohnte zuvor der „Inselwächter“. Und dieser kündigte just in jener Woche, als Mauro das erste Mal die Insel betritt. Sein Lebensweg als Inselbewohner nahm seinen Lauf… Der Alltag auf der Insel? Ein Leben voller Improvisation: eine Photovoltaikanlage erzeugt Energie. Es gibt einen alten Kühlschrank, Wassertanks, eine Zisterne… Täglich zwei Eier von den Hühnern, dazu frische Kaktusfrüchte… Es ist ein einfaches Leben - und ein einsames. Er freue sich an den kleinen Dingen - und an der Stille, sagt Mauro. „Ich rede viel mit mir selbst. Nicht mit lauter Stimme, aber in Gedanken“, sagt Mauro. Die schwarze Katze „die sich gerne streicheln lässt“, besucht ihn regelmäßig. Auf der Insel, die als Naturschutzgebiet gilt, herrscht striktes Badeverbot. Mauro macht die Touristen darauf aufmerksam. Vor der Bucht ankern, ist ebenso strikt verboten. Der Strand ist berühmt für seinen rosafarbenen Sand. „Schönheit kann man nicht in Taschen stecken“. Früher nahmen viele Touristen den rosafarbenen Sand der Insel einfach mit. Teilweise wurde er auf Ebay verkauft. Und fast wurde der Strand seiner Lebensgrundlage beraubt. In der Zwischenzeit hat sich die Landschaft wieder erholt. „Was er nicht verstehe, sagt Mauro, ist, dass die Menschen immer alles besitzen wollen: „Sie haben den Sand mitgenommen, weil er die Schönheit des Strandes repräsentiert. Aber: Schönheit kann man nicht einfach in die Taschen stecken“. Schönheit sei etwas Abstraktes, die man mit allen Sinnen wahrnehmen muss, ist er überzeugt. Mauro sieht sich als „Wächter dieser Naturschönheit“. Wiewohl er eigentlich selbst nicht weiß, wie lange er noch hier leben darf. Die Insel Budelli wurde vor einigen Jahren vom italienischen Staat gekauft. Sie ist nun Teil eines Nationalparks. Vom Gesetz her, so ließen ihm die Behörden wissen, müsse er sein Haus verlassen. Dennoch: Er ist noch immer da. „Es ist kein gutes Gefühl, nicht zu wissen, ob du von einem Tag auf den anderen vielleicht deine Heimat verlassen musst“. Er wisse nicht, was in Zukunft passieren wird… Verständnis für die Behörden habe er nicht: Wie kann es sein, dass große Yachten im Naturpark herumfahren dürfen und das Meer verschmutzen, aber er, der Naturwächter, müsse weg? „Ich mache nichts kaputt, ich versuche nur die Umwelt zu schützen“, gibt sich Mauro unnachgiebig. Immer wieder kommen Touristen auf die Insel, um sich von Mauro Lebenstipps geben zu lassen. Die Besucher bewundern ihn: Seine Verbundenheit zur Natur, seine Beharrlichkeit für „seine Sache“ bestärkt viele Menschen auf ihrem eigenen Lebensweg. „Keine Angst, ich bleibe auf der Insel“, sagt Mauro den Besuchern, die in bestärken zu bleiben. „Ich bin zwar 80 Jahre, aber ich gebe nicht auf…“ Seine Philosophie des „Weniger ist mehr“ wird von vielen Menschen geteilt. Dennoch kommen in ihm immer wieder Zweifel auf. „Fast alle Besucher sagen mir, dass sie mit meinen Ansichten und meiner Lebensphilosophie übereinstimmen. Dennoch: am Ende des Tages ändern sie nichts“, sagt Mauro. Nützt es überhaupt etwas, was ich hier sage?, fragt er sich. Auch wenn ihm das Bücken schon etwas schwerfällt, dass Reinigen der Insel vom angeschwemmten Zivilisations-Müll, dieser regelmäßige „Reinigungsspaziergang“, sei eine seiner wichtigsten Aufgaben. Sein Hauptrezept für ein glückliches Leben? „Mit wenig zufrieden sein“. Und: auf die Ernährung achten. Ganz ohne Güter leben, das wollte er aber nie. Alleine schon wegen seines Zigaretten-Konsums… Die Behörden haben ihm verboten ein Fischerboot zu besitzen. Jedoch: Ohne seiner Lehrer-Rente und ohne den Müll, der von Freunden abtransportiert wird, wäre so ein Leben nicht möglich. Freiheit ist eben selbst auf so einer einsamen Insel relativ… Was ist die Wahrheit der Welt? „Um eine Wiese zu erschaffen, braucht es ein Kleeblatt, eine Biene und einen Traum. Aber auch ein Traum allein genügt, wenn es keine Bienen gibt“, zitiert Mauro ein Gedicht aus einem Buch. Mauro lebt seinen Traum – und das seit mittlerweile drei Jahrzehnten. Und auch wenn seine Zukunft auf Budelli ungewiss ist, für ihn steht fest: „Ich will einfach hier bleiben und für die Schönheit der Natur werben“. Ein italienischer Robinson Crusoe? Auch mit 80 fühle er sich nicht eingeschränkt… selbst vor der großen Liebe nicht, die ihm vor einiger Zeit erfasst hat. Ob er ein italienischer Robinson Crusoe sei? „Nein, das bin ich sicher nicht“, sagt Mauro. „Robinson Crusoe wollte ja wieder weg von seiner Insel. Ich aber will hier sein…“ Quelle: Arte Fotos: SWR, Facebook Text: Helmut Wolf
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Von 200 auf 19 m2 Wohnfläche. „Mit dem Loslassen all der Sachen, hat mein Gefühl der Freiheit begonnen“, sagt Susanna, 65. Nach der Trennung von ihrem Partner verkauft sie ihr Haus, gibt 90 % ihres Besitzes weg und zieht in ein „Tiny House-Village“... „Was will ich eigentlich“. Es ist wie so oft ein einschneidendes Ereignis, das Menschen ihr bisheriges Leben überdenken lässt. Oft führt dieser „Neustart“ in eine ganz andere Richtung, in ein neues Lebenskonzept. Häufig geht es auch um eine Form der „Befreiung“ bisheriger Gewohnheiten und Abhängigkeiten. Auch bei Susanna stellte sich nach der Trennung von ihrem Partner die Frage: „Was will ich eigentlich?“ Fast 20 Jahre lebte Susanne mit ihrem Partner in einem Haus im Ruhrgebiet. Auf großzügigen 200 m2. „Ich merkte, dass mir dieses Haus viel Energie genommen hat. Aber es hat mir auch gezeigt Schritte nach vorne zu gehen“, sagt die Osteopathin. Als die Beziehung zu Ende geht, versucht sie anfangs noch das Haus alleine zu erhalten. „Ich habe dann einfach einen Stift genommen und alles zusammengerechnet“, sagt sie. Ihr Fazit: „Alleine nur arbeiten, damit ich dieses Haus erhalten kann – das macht keinen Spaß!“. „Von meinen Besitz habe ich 90 % wegegeben“, sagt Susanna. „Mit dem loslassen all dieser Dinge, hat mein Gefühl für die Freiheit begonnen“. 10.000 Dinge besitzt jeder Deutsche/Österreicher im Durchschnitt. Die meisten davon bleiben ungenutzt. Susanna versucht sich nun auf das Wesentliche zu konzentrieren. Was das ist? „Ich brauche ein paar Sachen zum Anziehen, ein paar Küchenutensilien und eine feste Behausung“. Im Grunde all die Dinge, „die mein kleines Leben auf eine bestimmte Art und Weise sicher machen“, umschreibt sie diese „lebensnotwendigen“ Dinge. „Ich brauche die Menschen um mich...“. Und sie träumt von einem transportablen, kleinen Holzhäuschen – spricht von einem „Tiny House“. Klein, fein, aber nicht abgeschieden und alleine, sondern in einer Gemeinschaft. „Ich brauche die Gemeinschaft, die Menschen um mich“, sagt Susanna. „Leute, die mich inspirieren und mit denen ich mich austauschen kann“. In der Nähe von Bayreuth entdeckt Susanna schließlich das „1. Tiny House-Village Deutschlands“. Über 20 „Mini-Häuser“ stehen hier auf einem ehemaligen Camping-Platz im bayerischen Mehlmeisel. „Hier bin ich am richtigen Platz“. Die Anforderungen der Tiny House-Gemeinschaft sprechen sie sofort an: Respektvolles Miteinander, bereit etwas in die Gemeinschaft einzubringen... „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich hier am richtigen Platz bin“, zeigt sich Susanna überzeugt. Sie bestellt ein Tiny House. (Die günstigsten Minihäuser mit 20 m2 gibt es für 20.000 Euro). Im Mai 2019 kommt schließlich ihr kleines, 19 m2 großes Haus auf Rädern. Und sie ist mehr als glücklich...
Der Großteil des Alltags in der Tiny House-Community findet draußen statt. Im Kreis von Freunden und Nachbarn. „Es gefällt mir einfach sehr gut, hier mit vielen Menschen zusammen zu sein“. Und sie stellt fest: „Genau das habe ich gesucht“. Ihr Ziel, mit weniger materiellen Besitz in einer Gemeinschaft leben zu können, scheint sich erfüllt zu haben. „Die Menschen, die ich hier kennengelernt habe, nehmen das Leben easyer, lockerer.“ Und allen ist der Umstand bewusst: Das Leben kann so einfach sein... Video-Tipp: „Schluss mit Überfluss“ – 37° ZDFmediathek Quelle und Fotos: Florian Frei Mit freundlicher Genehmigung von ZDF! Text: Helmut Wolf Leben in und mit der Natur. Seit sechs Jahren lebt Marc, 45, in einer selbstgebauten Hütte im Wald. Er schlägt sein eigenes Holz zum Heizen & Kochen, erntet selbst angebautes Gemüse und lebt als „Waldmensch". Ein Gespräch über gewonnene Perspektiven, Zivilisationsdiät und der schmale Grat zwischen Arbeit und Leben... Vor fast sieben Jahren hat Marc Freukes beschlossen, sich aus der Zivilisation weitestgehend zurückzuziehen. Nachdem er in seinem alten Leben depressiv geworden war, verließ der ehemalige Golflehrer seine Wohnung und kehrte nie mehr zurück. Einen Großteil seiner Sachen hat er in einem (über mehrere Jahre) gemieteten Raum eingelagert, verkauft, verschenkt oder weggeworfen. Nun lebt er im deutschen Odenwald, im Gebiet zwischen Südhessen, Unterfranken (Bayern) und nördlichen Baden (Baden-Württemberg). Marc hat eine „Outdoor-Schule" entwickelt. Gibt Kurse zu Herstellung von Werkzeugen, Fliegenfischen, Hausbau, Selbst-versorgung, Orientierung. Hält Vorträge in Schulen und organisiert Jugendcamps. Anfangs in einem Tipi, bewohnt er seit nunmehr zwei Jahren eine selbst konstruierte und selbstgebauten Hütte. Er verfügt Strom über eine Solaranlage, Wasser, das er mit Kanistern an einer Quelle holt und er verfügt über eine vollkompostierbare Trockentoilette. Alles in allem: ist er heute zufrieden, wie nie zuvor.. Ein Interview! Lieber Marc, was hat dich dazu bewogen diesen mutigen Schritt zu setzen? Bevor ich in den Wald zog, steckte ich beruflich und privat in einer bedrohlichen Sinnkrise. Mein Golflehrerjob vermochte nicht mehr mein Bedürfnis nach Sinn zu erfüllen. Zeitgleich erfuhr ich Mobbing, Burnout und hatte Depressionen. Zu beobachten, wie die Menschheit zunehmend destruktiver und egozentrischer wird - bei explodierendem technischem Fortschritt -, das machte mich traurig. Wir können zum Mond fliegen, leben aber weder mit Unseresgleichen, noch mit der Natur im Einklang. Mit 39 Jahren wollte ich eine weitere Ausbildung machen, doch das Arbeitsamt konnte mich nicht vermitteln. Die konventionelle Suche war für mich beendet, als ich auf eine Initiativ-Bewerbung keine Antwort bekam. Irgendwann musste ich einsehen, dass es mir draußen in der Natur besser ging, als in meiner Mietwohnung, deren Miete von 700,- Euro ich nicht mehr aufbringen konnte. Ich behaupte nicht der Mutigste zu sein, aber der Leidensdruck war immens... Welche neue Perspektiven konntest du durch deine Lebensweise gewinnen? Mit dem Einzug in den Wald wurde mir die wahrscheinlich ureigenste, menschliche Eigenschaft zuteil, nämlich: Dass Menschen gern helfen, sobald jemand in Not ist. Durch die Unterstützung der Einheimischen fand ich schnell ein Grundstück. Viele Einheimische besuchten mich und baten mir ihre Hilfe an. Das Leben „draußen“ war aber auch ein trauriges Erwachen. So musste ich erkennen, dass ich ab meiner Berufstätigkeit als Golflehrer verlernt hatte, neben der Arbeit „zu faulen“. Ich „war der Job“ - und nach dem Rest, der mich mal ausgemacht hatte, musste ich Jahre suchen. Die nunmehr 6-jährige „Zivilisationsdiät“ im Wald, und der damit verbundene Abstand zur Zivilisation, zeigten mir den Kontrast zum natürlichen, einfachen, minimalistischen - dem zivilisierten Leben. Neben handwerklichen Fertigkeiten und vielen Dingen über die Natur, lernte ich, wie einfach das Leben sein kann. Und, dass jeglicher Mangel ein von Menschen erschaffenes Konstrukt ist. Schaut man in die Natur, entdeckt man nur Fülle. Meine Erlebnisse halte ich für die Nachwelt in meinen Büchern fest. Viele Menschen sind oft nicht zufrieden mit ihrem Leben, trauen sich aber nicht aus ihrer vermeintlichen „Komfortzone". Was würdest ihnen raten? Es gibt keine Garantie für ein Gelingen, wenn man aus der vermeintlichen Komfortzone ausbricht. Der Gewinn kann jedoch ein höheres Maß an Freiheitsgefühl sein - das Leben in seiner Weite zu spüren. Mir ging es bei meinem Wechsel von Zivilisation zu Wald schlagartig besser. Besonders als ich nicht mehr auf die Hilfe von außen hoffte, sondern das Ruder selbst in die Hand nahm. Zugegeben: dazu muss man nicht in den Wald ziehen. Jeder muss seinen Weg finden. Geld, Eigentum, Versicherung, Vorsorge, Pension... Was bedeutet Sicherheit für dich? Sicherheit ist ein unausgereiftes, emotional-kognitives Konstrukt. An dem halten sich Menschen umso mehr fest, je ängstlicher sie sind. Doch, je mehr sich Menschen in der Angst verlieren, desto mehr entfernen sie sich vom Leben. Wir Menschen sind ambivalente Wesen: einerseits streben wir die Illusion der völligen Sicherheit an, anderseits wünschen wir uns Freiheit und wollen leben. Der hohe zeitliche und finanzielle Arbeitsaufwand für ein vermeintlich sicheres Haus und den Versicherungen. fressen aber die Lebenszeit und damit die Freiheit. Ich zitiere gern dazu gern einen Spruch von Ernst R. Hauschka: „Eine Meinungsumfrage unter Löwen hat ergeben: die Mehrheit lehnt den Käfig ab, wünscht jedoch geregelte Verpflegung.“ Heute im 21. Jahrhundert lehnen viele nicht mal mehr diesen Käfig ab, wenn man ihnen einen vollen Napf verspricht - und der Nachbarlöwe auch keinen viel größeren Napf bekommt. Ich ziehe da lieber die freie Wildbahn vor. Ehe man sich versieht, ist die „Lebenskiste“ aus Verpflichtungen und der eigenen Ideologie zu einem Gefängnis geworden. Dahinter stecken die alltäglichen Glaubenssätze: „Man-kann-doch-nicht!“ und „Man hat doch schließlich!“... Du bist jetzt Mitte 40 - gibt es ein bestimmtes Lebensziel? Die schmale Gratwanderung zwischen Arbeit und Leben zu meistern. Letztendlich ist das vernünftige Leben ein Spagat zwischen zwei Polen. Wie lautet dein Lebenskonzept? Ich lebe natürlichen Minimalismus, verbrauche an Ressourcen so wenig wie möglich und soviel wie nötig. Während ich früher versucht habe, möglichst viel Geld zu verdienen, möchte ich heute Gewinn durch erheblich geringere Ausgaben bei geringem Ertrag und Arbeitsaufwand generieren. Dabei habe ich es geschafft den Preis der Umweltbelastung stark zu reduzieren - ohne in ein „Entweder – Oder“, einem Krieg zwischen dem alten, einfachen Leben und der Moderne zu verfallen. Neben der Jurte aus Naturmaterialien darf die Akkumotorsäge bestehen. Für mich habe ich die Frage beantwortet: „Wieviel Zivilisation brauche ich wirklich?“ Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch! Web-Tipp: www.wildniskurs.de Fotos: ZDF/Florian Frei, P. Pflästerer, S. Fuchs Interview: Helmut Wolf …sagt Hildegard Lehmann. Sie ist 102 und noch immer unternehmungslustig. Ständig hat sie was vor.Was lässt Menschen zufrieden alt werden - gar über 100 Jahre? Was ist deren Lebenskonzept? Autor Yves Schurzmann hat darüber eine feinfühlige Reportage gestaltet… „Wenn ich unterwegs bin, lebe ich auf. Auch wenn ich alt geworden bin“, sagt Hildegard Lehmann. Immer wenn der Bürgermeister zum Stadtteil-Spaziergang in Berlin-Charlottenburg ruft, ist Frau Lehmann mit dabei. Sie freut sich über Gesellschaft. Und auch die Menschen erfreuen sich über den Besuch der liebenswerten, alten, kleinen Dame. „Rollatoren sind was für alte Leute!", sagt sie. Kochen, Einkaufen macht sie alles selbst. Nur zwei Mal pro Woche kommt jemand für größere Einkäufe und zum Putzen. Mit ihrer 73jährigen Tochter macht sie gerne Ausflüge. Beispielsweise zum Eisenbahnmuseum in ihrem Geburtsort Falkenburg/Elster. Dort freut sie sich über die Zugfahrt in einer historischen, schwarzen Lok - wie in jungen Jahren… „Wer stehen bleibt, wird alt“, sagt Hilde Lehmann – mit 102. Am liebsten ist sie noch immer mit den Öffis in Berlin unterwegs. „Auch wenn es anstrengend ist. Da bin ich unter Leuten und bekomme neue Eindrücke…“. Nach wie vor interessiert sich Frau Lehmann für vieles. Ihre große Leidenschaft sind Politik und Sport – besonders Schlittschuh- und Rollschuhlaufen. Was ist das Erfolgsgeheimnis für ein langes Leben? Gar ein über 100jähriges Leben? „Es stimmt nicht, dass wir mit 80 nicht mehr neue Dinge lernen können“, sagt Altersforscher Christoph Englert. Englert ist überzeugt davon, dass gerade wer im hohen Alter oder in der Pension etwas Neues anfängt, einem das bis zum Ende auch Jung hält… Die Zahl der 100-Jährigen auf der Welt steigt unerwartet schnell an. Gerade auch in westlichen Ländern wie Deutschland und Österreich. Gab es im Jahr 2000 noch knapp 6.000 Hundertjährige in Deutschland, so waren es 2017 schon fast drei Mal so viele. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen gibt es weltweit mehr als eine halbe Million Menschen, die mindestens 100 Jahre alt sind. So viele wie noch nie. Knapp 80 Prozent der Hundertjährigen sind Frauen. Eine Erklärung sei, dass Ärzte heute insbesondere Herzkrankheiten besser behandeln könnten. Hinzu komme das größere Wissen um die eigene Gesundheit und ein bewussterer Lebensstil. „Schokolade ist mein Kraftfutter. Wenn ich darauf verzichten würde, der Figur wegen, hätte ich nur schlechte Laune…“, sagt Ingeborg Wolf, 103. Bewegung sei das Wichtigste, sagt sie. Jeden Dienstag steigt Frau Wolf in ihr Auto und fährt ins Fitnessstudio, wo sie unter fachlicher Aufsicht trainiert. Oft ist sie mit der Bahn von ihrem Wohnort Kronberg nach Frankfurt unterwegs, um dort zum Friseur zu gehen. Frau Wolf nimmt sich jeden Tag etwas vor. Das hält sie fit. Sie legt Wert darauf, gepflegt und schick auszusehen. Für ein Fotoshooting mit dem Fotografen Karsten Thormaehlen bereitet sich akribisch vor. „Seitdem ich alt bin, falle ich auf“, sagt Ingeborg Wolf. Ich bin mein Leben lang im Schatten gestanden. Zuerst im Schatten meines Vaters. Dann im Schatten von meinem Mann. Und jetzt werfe ich selber meinen Schatten…“, lacht die 103jährige, adrette Dame. Sie wohnt in einem Seniorenheim. Mit einer kleinen Küche und einem gemütlich-stillvoll eingerichteten Wohnzimmer. „Es ist wie bei mir Zuhause, nur etwas verkleinert…nichts für einen Rollator“, sagt sie. Sie ist gut zu Fuß unterwegs, mit zwei Stöcken. Und auch in ihrem Auto ist sie sicher unterwegs. Bis heute fährt sie unfallfrei. „Diese Freiheit nehme ich mir“, sagt Frau Wolf. Als „alt“ gilt man laut Weltgesundheitsorganisation offiziell mit 76 Jahren. Frauen haben eine deutlich höhere Lebenserwartung als Männer. „Egal in welcher Altersgruppe, ob bei 5, 35 oder 55jährigen - Frauen haben immer ein geringeres Moralitätsrisikio bzw. Sterberisiko als Männer“, sagt der deutsche Altersforscher Englert. In Deutschland erreichen immer mehr Menschen ein hohes Alter. Forscher der Universität Rostock gehen davon aus, dass etwa die Hälfte aller heutzutage Neugeborenen 100 Jahre alt wird. Die Lebenserwartung steigt - und damit die Hoffnung auf gute Jahre im Alter. „Ich kann mich noch immer über viele Dinge freuen“, sagt Ingeborg Wolf. „Ich kann unendlich viel Freude erfahren, wenn ich verreise.“ Ihr Traum sei es noch einmal nach Bilbao fahren zu können. „Je mehr ich vorhabe, desto besser funktioniere ich“, sagt sie. Und auch Hilde Lehmann freut sich. Besonders über ihre Besuche bei Eislaufveranstaltungen. Viele Jahre habe sie sich ehrenamtlich um die Jüngsten im Eissport gekümmert. „Das ist so schön, dass sich die Jungen so bemühen“, sagt Frau Lehmann. „Außerdem muss doch wer da sein, der klatscht“. Das Leben ist voller Überraschungen – auch mit über 100 Jahren… Video-Tipp: 37° ZDFmediathek Fotos: Pasja1000 / Pixabay, Steph Ketelhut, Yves Schurzmann / ZDF Mit freundlicher Genehmigung von ZDF! Text: Helmut Wolf |