Der Bärlauch! Einer der ersten Vorboten des Frühlings, der den Weg wohl in viele private Küchen findet. Aber was ist Bärlauch eigentlich? Und: wie war das mit dem Sammeln und der Verwechslungsgefahr? Portrait über eine der beliebtesten Wildpflanzen Mitteleuropas! Gastronomisch hoch geschätzt wird der Bärlauch nicht nur wegen seinem unvergleichlichen, knoblauchartigen Aroma. Das Internet platzt beinahe vor Rezepten: Klassiker wie Bärlauchcremesuppe oder Bärlauchspätzle sind längst nicht alles. Als Bärlauchpesto oder Bärlauchsalz lässt er sich auch problemlos haltbar machen und darf uns so auch das restliche Jahr beglücken. Auch wegen seiner Inhaltsstoffe ist Bärlauch zu Recht beliebt: Sein hoher Gehalt an Vitamin C und Flavonoiden macht ihn zu einer durchaus gesunden Wildpflanze. Wer sich traut, sammelt selbst. Obwohl es in unseren heimischen Wälder und Wiesen eine Fülle an verwendbaren Wildpflanzen gäbe, ist das Pflücken und Verwenden von wilden Kräutern in Mitteleuropa inzwischen eher unüblich. Der Bärlauch bildet hier eine kleine Ausnahme. Er wird allzu gerne als Anlass genommen, die langsam knospenden Wälder zu durchstreifen, ein paar Stunden in die Natur einzutauchen und sich die Köstlichkeiten des Waldes in heller Vorfreude in die mitgebrachten Jutebeutel zu stopfen. Eine erfrischende Abwechslung zum Supermarktbesuch! Um auf der sicheren Seite zu bleiben und der Verwechslungsgefahr zu entgehen, empfiehlt es sich allerdings, zu wissen, wonach man sucht: Bärlauch (Allium ursinum) findet sich in Auwäldern und Laubwäldern. Die Blätter entspringen einer schlanken (unterirdischen) Zwiebel und liegen auf einer gestauchten Sprossachse. Die Blätter haben eine sichtbare Mittelrippe und sind auf der Unterseite matt. Das eindeutigste Erkennungsmerkmal ist allerdings der unverkennbare Geruch. Verwechslungsgefahr besteht einerseits mit dem Maiglöckchen, dessen Verzehr oft zu Erbrechen führt. Es wächst ebenfalls gerne in Laubwäldern, ist allerdings durch einige Merkmale gut zu unterscheiden: eine rötliche Blattscheide ist meist zu erkennen, die Blätter stecken außerdem oft ineinander. Die Unterseite der Blätter ist glänzend – und sie riechen nicht. Die gefährlichere Verwechslung besteht allerdings mit der Herbstzeitlose, die das Gift Colchicin enthält. Dieses kann bei ausreichendem Konsum durchaus tödlich sein. Der Vorteil: Herbstzeitlosen wachsen normalerweise auf Wiesen, selten in Auwäldern. Es empfiehlt sich also, ein paar Schritte weiter in den Wald zu spazieren. Aber auch diese Pflanze kann normalerweise problemlos unterschieden werden: Sie riecht ebenfalls nicht. Außerdem ist kein deutlicher Blattstiel erkennbar, dafür aber rotbraune Niederblätter. Die Blätter sind oft umeinander gewickelt, die Blattspitze eher rundlich. Wer sich trotz richtigem Standort und optischen Merkmalen noch immer unsicher ist, zerreibt also am Besten das Blatt zwischen den Fingern und riecht daran. In diesem Sinne: Hinaus in den Wald und Mahlzeit! Web-Tipp: https://baerlauchsaison.de Text: Sarah Langoth Fotos: Joanna Kosinska, Tomas Malik, Pascal Debrunner (Titel) / Unsplash; Ellie Burgin / Pexels; Sarah Langoth
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„Fröhliches Vogelgezwitscher am Morgen zu hören“ + Gesangtipp: Der „Buchfink“ Gesang & Ruf-Tipp: Foto: Wikipedia
Naturnahes Gärtnern. Ob Garten, Balkon oder Fensterbrett. Jedes kleine Fleckchen Grün schafft Lebensräume für Tiere und Erholung für Menschen. Wie sich Wildbienen, Schmetterlinge oder Igel im eigenen Gartenparadies ansiedeln und sensible Ökosysteme geschützt werden können... Tipps vom "Österr. Umweltzeichen"! Schon 20 Minuten Aufenthalte im Grünen senken den Wert des Stresshormons Cortisol im Blut deutlich. Der Puls wird langsamer, der Blutdruck normalisiert sich, gleichzeitig wird das vegetative Nervensystem aktiv, das für die Regeneration von Körper und Psyche verantwortlich ist. Nicht umsonst verschreiben Ärzte in Finnland „5 Stunden Natur pro Monat“ gegen Depression, psychischen Stress und Kurzsichtigkeit. Selbst die Nähe zu Grünanlagen führt schon zu positiven Gesundheitseffekten... Die Verbundenheit zur Natur wird gerade in diesen Zeiten neu entdeckt. Durch naturnahes Gärtnern und die Rückbesinnung auf die Artenvielfalt, werden Zufluchts- und Lebensräume für viele Tiere geschaffen. Aber auch der Mensch profitiert von der „Berührung“ mit der Natur. Wer sich der entschleunigenden Beschäftigung mit Erde, Pflanzen und Saatgut widmet, spürt sehr schnell eine innere Ruhe und Verbundenheit mit der Umwelt. Fünf Tipps zum artenreichen Balkon, Garten & Fensterbrett 1. Vielfalt säen und pflanzen Alles beginnt mit der Auswahl des Saatguts, wenn man sich ein Naturparadies schaffen möchte. Biologisch zertifiziertes Saatgut stammt von gentechnikfreien Pflanzen, die ohne chemische Schutzmittel behandelt wurden. Einheimische Pflanzen sind weniger anfällig für Schädlinge, an das Klima angepasst und eine Futterquelle für Tiere. Bei Vögeln sind Wildsträucher wie der Schwarze Holunder, Rote Hartriegel oder Weißdorn beliebte Futterpflanzen. Außerdem sollten früh und spät blühende Sorten gemischt werden, damit Insekten wie Wildbienen über das Jahr verteilt ausreichend Nahrung finden. 2. Torffreie Erden verwenden Wer die Artenvielfalt und die Umwelt schützen möchte, sollte torffreie Erden im Garten verwenden. Beim Kauf der Erden ist genau hinzusehen, damit man nicht auf Bezeichnungen wie „torfarm“ oder „torfreduziert“ hineinfällt. Auch sogenannte „Bio-Erden“ können Torf enthalten. Erden, die mit dem Österreichischen Umweltzeichen gekennzeichnet sind, verzichten vollständig auf Torf und versorgen die Böden mit allen notwendigen Nährstoffen. 3. Ohne Chemie düngen Damit sich viele verschiedene Tiere und Pflanzen im Garten tummeln, ist das oberste Gebot, auf Pestizide und chemisch-synthetische Dünger zu verzichten. Wer mit ökologischem Gewissen düngt, teilt sich das eigene Gartenparadies mit bis zu 1.000 verschiedenen Tierarten – von scheuen Igeln bis zu summenden Bienen und vielen anderen Insekten. Denn: naturnahes Gärtnern setzt auf ein harmonisches Miteinander aller Lebewesen. 4. Wiesen aufblühen lassen Damit im Naturparadies keine Langeweile aufkommt, kann an einem freien Plätzchen eine Wildblumenwiese angelegt werden: Diese ist ein ideales Versteck für Raupen oder Käfer. Außerdem für viele Tiere eine Nahrungsquelle, wie zum Beispiel für den Girlitz – eine Vogelart, die durch den Mangel an Wildkräutersamen immer seltener wird. Der zarte Blütenduft zieht zudem Bienen und Schmetterlinge an. Hobbygärtner ohne grünen Daumen haben es mit einer Blumenwiese leicht, da diese nur zwei Mal im Jahr gemäht werden muss. Ein Teil der Wiese bleibt am besten das ganze Jahr über stehen, denn manche Tierchen überwintern in den Stängeln der Pflanzen. 5. Nistplätze schaffen
Viele Tierarten finden in konventionellen Gärten zu wenige Verstecke, in die sie sich zurück ziehen können. Wer das Summen von Wildbienen, Wespen und anderen Insekten vermisst, und ihnen einen sicheren Unterschlupf bieten möchte, sollte dafür eine Vielzahl von Strukturen schaffen: Für die meisten Wildbienen sind lehmige oder sandige Bodenbereiche bedeutend, aber auch ein alter Holzstamm kann zum Wohnraum werden. Eine weitere Möglichkeit zur Unterstützung von krabbelnden und fliegenden Tierchen stellen „Insektenhotels“ dar: Das Haus sollte an einer sonnigen und regengeschützten Stelle in etwa einem Meter Höhe aufgestellt oder aufgehängt werden, zum Beispiel an der Garagen- oder Hausmauer. Bambusröhrchen, Tonziegel und Pflanzenstängel in einem Holzrahmen sind geeignete Nisthilfen für Wildbienen. Es kann jedoch bis zu zwei Jahre dauern, bis die ersten Bewohner in ihr Quartier einziehen... Web-Tipp: www.umweltzeichen.at Fotos: Unsplash (Titel); Pixabay; IKEA Text: Helmut Wolf „Die Berge, die Sonne und der Schnee“ + Wandertipp! Wo? Knapp unterhalb vom „Törl“ (Rax / Niederösterreich) Wann? Ca. 14 Uhr Wandertipp: Ende März durch den (Tief-)Schnee zu stapfen, hat einen ganz besonderen Reiz. An sonnigen Tagen ist der Törlweg – vom Knappenhof zum Ottohaus – eine wunderbar vielseitige, kurzweilige Strecke. Da tun sich Rundumblicke in Richtung Semmering und steirisches Voralpengebiet auf. Und wenn die Sonne durch den Mischwald blitzt, und einem nur Stille und sanftes Blätterrauschen begleitet, dann sind das wahre Glücksmomente für den Wanderer... Nicht unterschätzen sollte man die Schneemenge bis ins Frühjahr April/Mai. An kalten Tagen kann einem dann auch so manche Eisfläche ins „Schleudern“ bringen („Spikes“!). Kurz vorm Törl, wo der Neigungsgrad ansteigt, kann es durchaus sein, dass man an manchen Stellen bis zum Oberschenkel „im Schnee versinkt“. Deshalb unbedingt: Gutes Schuhwerk, Stöcke und auch Gamaschen verwenden.
Die Belohnung für das stetige, rund 2½-stündige Bergauf, ist ein prachtvoller Blick über die Landschaft und das Raxmassiv. Oft gegangen - immer wieder ein Genuss! Web-Tipp: Vom Knappenhof am Törlweg zum Ottohaus Zwischen Wald und Wiese Glück & neue Perspektiven finden? Wo liegen die Naturräume der Zukunft? Für Anette Voigt, Landschaftsplanerin an der Uni Kassel, sind Stadt und Natur kein Widerspruch. Ein Gespräch über die Natur als „Gegenwelt“ und warum Blumen gießen glücklich macht... Liebe Frau Voigt, Sars, Ebola, Covid-19 - alles Krankheitserreger, die eigentlich nur Tiere betreffen. Sie gingen auf Menschen über, weil die Natur in irgendeiner Weise gestört wurde. Was lässt sich daraus schließen? Ich glaube nicht an die These, dass wir uns der enge Kontakt zu Tieren anfälliger für Krankheiten macht. Die Zerstörung der Lebensräume von Tieren und Pflanzen, kann man aus ganz anderen Gründen viel deutlicher kritisieren als Virenübertragungen auf den Menschen. Vor 300 Jahren waren die Menschen viel näher an der Natur…. Der Unterschied heute ist die starke Mobilität und Globalisierung und wie rasch sich dadurch der Virus überall verbreiten konnte. Covid-19 zeigt aber auch auf, was alles schief läuft auf unserer Welt und wie ungerecht unser System zum Teil ist. Corona hat uns deutlich gemacht, wie unterschiedlich die Menschen leben. Ich konnte mit meiner Familie zumindest ein wenig raus in unseren Garten… Aber viele Menschen und Familien mit Kindern im städtischen Bereich, haben diese Freiräume nicht. Zudem wurden öffentliche Plätze und Parks gesperrt, was meiner Meinung nach falsch war. Wie wichtig der Stellenwert der Natur ist, hat sich besonders während der Selbstisolations-Phase gezeigt. Da wurde fast gestritten darum, wann wir endlich alle wieder „hinaus“ durften – in den Park, in den Wald, in die Natur… Warum ist (gesunde) Natur so wichtig für den Menschen? Das ist immer abhängig vom kulturellen Hintergrund und von der aktuellen Lebenssituation. Es gibt Menschen, denen Natur nicht so viel bedeutet. Für viele Menschen bedeutet Natur aber Glück und Entspannung erleben zu können. In gewisser Weise ist es eine Gegenwelt zu Alltag und Sorgen. Ich komme gerade aus meinem Garten, wo ich meine Pflanzen gegossen habe. Alleine das Gießen macht mich glücklich: Man blickt sich um, sieht was alles sprießt. Da wuseln Eidechsen und Igel herum, summen Bienen, flattern Amseln und Buntspechte. Ich pflanze, ich gieße, ich kümmere mich, um all die Pflanzen. Aber ob das Heranwachsen meiner Pflanzen klappt, liegt nicht alleine an mir. Da passiert ganz viel von selbst und es herrschen viele andere Einflussfaktoren. Wenn ich dagegen in den Wald gehe, ist das wieder eine andere Welt. Als Wanderer oder Spaziergänger kann ich den Wald nicht beeinflussen. Auch hier funktioniert viel von selbst. Ich glaube, Natur ist deswegen so inspirierend, weil es uns Menschen gut tut zu sehen, dass es ganz andere, natürliche Welten und Lebensformen gibt. Wenn ich mit meinem achtjährigen Sohn Natur-Dokus anschaue, sind wir immer wieder fasziniert von der Vielfalt der Tiere und Pflanzen: Fischarten, die ihr Geschlecht wechseln oder andere faszinierende Metamorphosen… Man staunt über diese Freiheit an Lebensformen, die in der Natur steckt. Natürlich ist es auch die frische Luft und die Bewegung im Freien. Aber vor allem es ist die kulturelle Bedeutung an Lebensqualität... Für gebildete Schichten besitzt Natur einen hohen Stellenwert. Wie vermittelt man dies an bildungsferne Schichten mit wenig Naturkontakten? Da gibt es ein interessantes Forschungsprojekt des Hamburger Pädagogikprofessors Ulrich Gebhard. Gebhard hat für Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Schichten und Brennpunktschulen ein Naturpädagogik-Projekt entwickelt. Seine Begründung: Naturkontakte sind nicht nur schön, gut und wichtig, sondern man kann in der Natur auch Glück und Lebensalternativen finden. Gerade für Kinder in oftmals schwierigen Situationen und engen Lebenswelten, könne Natur, so Gebhards These, viele Möglichkeiten und Perspektiven bieten. Ein Lebensraum, wo ganz andere Dinge zählen als ökonomischer Druck und materielle Werte… Ein anderer Ansatz ist - die Natur stärker in die Stadt zu holen. Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit ist ja die Landschaftsplanung. Und da geht es besonders darum, schon im Ansatz von Wohnbauprojekten Naturelemente miteinzubeziehen. Da genügt oft schon der Blick aus dem Fenster, um Eichhörnchen, Rotkehlchen und Buntspecht beobachten zu können. Es geht eben nicht nur darum, den Menschen zu sagen, ihr müsst mit dem Auto raus aus der Stadt fahren, um Naturerfahrungen zu machen. Am besten noch mit 2-stündiger Anfahrt im Auto - und am Abend im Stau wieder zurück... Wir müssen die Stadt grüner und bunter gestalten, damit Natur für die Bewohner vor Ort zugänglich und erlebbar gemacht wird. Wie könnten die „Naturräume der Zukunft" gestaltet sein? Für mich sind die Naturräume der Zukunft in der Stadt angesiedelt. Mit Dachbegrünung, Fassadenbegrünung, mit vielfältigen Freiräumen, wo auch Tiere leben und Pflanzen gedeihen können. Ein gutes Beispiel, wie städtische Naturräume funktionieren können, zeigt der Berliner Wildtierbeauftragte Derk Ehlert. Sein Job ist einerseits das Konfliktmanagement zwischen Tier und Stadtbewohner. Besonders beliebt sind aber seine Touren mit den Bewohnern von Berlin, wo er mit Begeisterung zeigt, welche Tiervielfalt in der Stadt herrscht: Vom Waldkauz bis zur Nachtigall, lässt sich da beobachten. Interessant ist besonders der Umstand, dass die Leute mit Kurzarbeit und Lockdown jetzt Zeit und Muse haben, um mehr beim Fenster rauszuschauen. Dabei fällt vielen auf, wie viele Tiere und Pflanzen es eigentlich in ihrem unmittelbaren Umfeld gibt… Gibt es noch so etwas wie natürliche, naturbelassene Räume in (Mittel-)Europa? Wir leben in einer Welt, die größtenteils von Menschen geformt ist. Es gibt fast keine Räume mehr, die noch so sind wie vor zweitausend, dreitausend Jahren. Selbst jene Flächen, die Naturschützer wegen ihrem Artenreichtum so lieben, sind größtenteils durch Menschen beeinflusst. Es gibt nur ganze wenige (Alpen-)Regionen, die noch naturbelassen sind. Der Artenreichtum Mitteleuropas entstammt im Grunde der Entwaldung und Übernutzung durch den Menschen. Das alles muss per se nicht negativ sein. Jedoch darf es nicht in Richtung monotone Agrarwüsten im ländlichen, oder monotone Rasenwüsten im städtischen Raum gehen. Es gilt die Artenvielfalt aktiv zu forcieren und zu erhalten - und diese mit neuen Nutzungsformen zu verbinden. Kann man sagen, es geht auch darum den vermeintlichen Gegensatz zwischen Stadt und (ländlicher) Natur aufzulösen? Ja. Stadt und Natur sind für mich kein Widerspruch. Es gibt in der Stadt Berlin eine höhere Artenvielfalt als im Umland von Berlin (Brandenburg). Natürlich nicht im versiegelten Innenstadtbereich, wo aber erstaunlicherweise auch viele Tiere leben. Im suburbanen Raum, mit den vielen Einfamilienhäusern, den alten Wäldern, Friedhöfen usw., haben viele Tiere ihren Lebensraum gefunden. So etwas ist in den landwirtschaftlich genutzten Großflächen im ländlichen Raum nicht möglich. Wir müssen uns also fragen: Wie können wir Natur und Vielfalt in der Stadt ermöglichen? Wo wird es Konflikte mit Menschen geben - siehe Wildschweine usw.? Und: wie können wir diese Konflikte lösen? Die Vision sollte eine Stadt sein, wo auch ganz viel nichtmenschliches Leben möglich ist... Könnte mehr Wildnis ein Gegengewicht bilden zu unserer durchgeregelten, ökonomisierten Welt? Wildnis ist ja momentan sehr angesagt. Auch Stadtwildnis, wie das in Teilen des ehemaligen Nordbahnhof-Geländes in Wien gezeigt wird. Als Vorreiter gilt hier Berlin mit dem (Natur-Park) Schöneberger Südgelände. Dort gibt es sogar viele Roten Listen-Arten. Wien ist zudem gesegnet mit einem eigenen Nationalpark (Donau-Auen) innerhalb des Stadtgebietes. Natürlich ist ein wilder Wald oder gebirgiges Gelände in den Alpen etwas anderes als städtische Wildnis. Aber - ins Gebirge oder Wildnisgebiet sollte man nur mit gewisser Erfahrung gehen… Zudem bedeutet Wildnis für jeden etwas anderes. Für Kinder ist schon das Gestrüpp im Park pure Wildnis. Da können sie sich verstecken, ein Lager bauen, wo niemand hinkommt. Wildnis ist ja immer auch eine Form von Freiheitsgefühl. Ich würde es jedoch nicht werten. Wenn jemand sein Glück woanders als in der Natur findet, bei der Musik oder im digitalen Bereich beispielsweise, ist das auch ok... Sie meinen, Naturkontakte sollten nicht moralisierend eingesetzt werden? Ja. Zu sagen, ein Mensch ohne Naturbezug sei nicht vollständig, ist nicht richtig. Das kann man niemanden vorwerfen. Viele Menschen können nicht einfach so raus in die Natur gehen. Sei es aufgrund körperlicher Gebrechen oder weil es nichts mit ihrer Lebensrealität zu tun hat. In den USA gibt es so eine Diskussion im Hinblick auf die (moralische) Bedeutung der Nationalparks. Diese haben dort einen besonders hohen Wert - aber nur für weiße Amerikaner. Diese haben die Nationalparks gegründet und sehen sich als Nachkommen der Pioniere in den USA. Das ist aber in erster Linie die Identität der weißen Amerikaner. In die Nationalparks gehen dagegen nur wenige schwarze Amerikaner. Diese haben einen ganz anderen Bezug zur Natur. Afro-Amerikaner mussten auf den Baumwollfeldern schuften. Mit Naturaufenthalt assoziieren diese keinen Pioniergeist oder Freiheitsgedanken. Wie kann man Natur Kindern, Jugendlichen und Menschen mit wenig Naturkontakt „schmackhaft“ machen? Ich würde so sagen: Naturkontakt ist eine Vergrößerung der Möglichkeiten. So wie ein Instrument lernen oder eine künstlerische Tätigkeit auszuüben. Ein Jugendlicher der Schwierigkeiten in der Schule hat, der Krach mit den Eltern hat, für den kann die Gründung einer Band neue Möglichkeiten und Perspektiven verschaffen. Aber eben auch ein Naturtrip mit den Pfadfindern oder die Erfolge mit der Klettergruppe im Alpenverein. Comiczeichnen kann ebenso Kraft geben und eine Gegenwelt zum Alltag bilden. Naturerlebnisse sind halt etwas ganz Besonderes, weil es hier ein Gegenüber gibt, das nicht menschlich ist. Beim Wandern, Paddeln, Klettern - da muss ich mich immer mit der Umwelt auseinandersetzen: Mit den Tieren, mit dem Wasserstand im Bach, mit dem Wetter, mit den Bergen – alles Aspekte, auf die ich keinen Einfluss habe, die ich nicht gestalten kann und auf die ich reagieren muss. Auch muss ich mir manchmal zugestehen: Der Berg ist mir zu hoch, das schaffe ich nicht. Oder: Das Wetter ist zu schlecht, ich muss umkehren und die Tour abbrechen. Diese wichtigen Lebenserfahrungen kann man alle in der Natur machen… Und wer am Ende eines Wandertages Abends in der Hütte sagen kann, das habe ich ganz alleine geschafft, mit meiner eigenen Kraft, findet möglicherweise auch sein persönliches Glücksgefühl. Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, dass es eine Welt gibt, wo man ohne Geld und materiellen Reichtum sein Glück finden kann, das ist schon sehr viel Wert... Vielen Dank für das interessante Gespräch! Fotos: Pexels, Pixabay, Unsplash Interview: Helmut Wolf Rauschende Wasserfälle, blühende Almwiesen, stille Gebirgsseen... Wunderschöne Videoaufnahmen der beiden preisgekrönten Natur-Filmemacher Christine Sonvilla und Marc Graf im Rahmen der LebensKonzepte-Serie #NaturSpüren... Think Nature! Natur Spüren #3 Das Video Natur Spüren Think New – Think Nature Wald, Wiese, Berg, Fluss, Tal, Vogel, Biene, Reh. Der Wind, der Regen, die Stille, das Rauschen... Die Serie „Natur spüren" von LebensKonzepte.org dokumentiert natürliche Lebensräume und „echte Wildnis". Bär, Luchs, Wolf & Co. als Botschafter einer gesunden Umwelt: Die Serie macht „spürbar“ warum intakte Natur und Wildnis lebensnotwendige Eckpfeiler für unser Überleben sind. Natur als Garant der Klimastabilität und des ökologischen Gleichgewichts. Angesichts globaler, mikrobiologischer Ereignisse und weitreichender Auswirkungen der Klimakrise, spielen Wildnis- und Schutzgebiete eine zentrale Rolle für die Zukunft des Planeten. „Wildes Land", wo Pflanzen- und Tierarten natürlich gedeihen und heranwachsen können, als Beispiel einer nachhaltigen Wirtschaftsweise und Lebenskultur. Dies gilt es zu vermitteln und in die Mitte der Gesellschaft zu bringen... #Think New #ThinkNature Nationalparks – die letzten gesunden Landschaften? Natur als „hohen Wert, den es neu zu entdecken und zu schützen gilt“. Dafür spricht sich Sarah Wendl, Generalsekretärin der Nationalparks Austria, im Interview aus. Teil 2 der Serie „#NaturSpüren“! Natur Spüren #2 Das Interview Liebe Sarah Wendl, die weltweite Pandemie zeigt uns, wie eng der Mensch mit der Natur verbunden ist. Trotz Smartphone und Digitalisierung. Wie beurteilen sie die aktuelle Entwicklung? Ich habe das Gefühl Natur wird jetzt aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachtet. Der hohe Wert intakter Natur war vielen gar nicht bewusst. Aber wenn man viel Zeit zu Hause ist, sich nur in den eigenen vier Wänden bewegt, wird spürbar, was einem fehlt: Es wächst die Sehnsucht nach dem draußen sein, nach dem Anblick von Bäumen, Wiesen und Wäldern... Natur ist enorm wichtig für uns Menschen. Diesen Erholungsraum nutzen zu können, ist ein Grundbedürfnis. Wichtig ist aber ebenso die Erkenntnis, dass Natur nicht nur Ressource für Lebensmittel und Tourismus ist, sondern zentraler Bestandteil unseres Lebens und Überlebens... Wie würden sie für sich persönlich die Faszination des Naturerlebnisses umschreiben? Im Wald, in den Bergen, an einem See, die Vielfalt der Pflanzen und Tiere... Ohne viel Nachzudenken entsteht da in mir eine Faszination. Es ist wie ein Eintauchen in eine andere Welt... Du spürst die Kraft und Magie der Elemente. Die wahre Qualität im naturbelassenen Gelände besteht darin, wenig Infrastruktur vorzufinden oder keine Anrufe erhalten zu können, weil es kein Netz gibt. Diese Ruhe macht einem auch innerlich ruhig und gelassen... Sie haben das Glück ihre Naturliebe auch mit dem Beruf verbinden zu können... Anfangs hatte ich die Befürchtung, dass ich durch den beruflichen Alltag diese Faszination verlieren könnte. Ich bin in den USA geboren und habe dort schon sehr früh Kontakt zu Wildnisgebieten und Nationalparks gehabt. Aber es ist ganz anders gekommen. Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn du vermitteln kannst, was Natur ist und was sie alles kann. Hat das Coronavirus ihre Arbeit in den Nationalparks verändert? Gute Frage. Es gibt sicher keine Branche, wo diese Pandemie spurlos vorüber geht. Es muss vieles neu gedacht werden. Auch bei uns werden Führungen, Ausstellungen und Projekte neu strukturiert. Aber: Grundsätzlich geht es in den Nationalparks darum, Natur Natur sein zu lassen. Unser Job ist es, überspitzt gesagt, nichts zu machen (lacht). Natürlich machen wir viel, aber in weiterer Folge geht es darum, dass der Mensch in diesen Gebieten so wenig wie möglich in die Natur eingreift. Wozu braucht es Nationalparks eigentlich? Es gibt viele Thesen dazu. Einige beschäftigen sich mit moralischen Aspekten. Aber ganz grundsätzlich würde ich antworten: Natur an sich ist schützenswert. Es geht um den Erhalt der Artenvielfalt, schließlich teilen wir uns die Erde mit vielen anderen Lebewesen. Und es sind Plätze der Begegnung zwischen Mensch und Natur. Es ist schon skurril: Durch die riesige Flächennutzung des Menschen, müssen natürliche Landschaften abgegrenzt, ja „abgesperrt werden“. Wir müssen eigene Gebiete definieren, damit sich Natur entfalten kann... Und zur grundsätzlichen Qualität der Nationalparks kann ich nur sagen: Hier lässt es sich in eine andere Welt eintauchen. Diese Landschaften besitzen die Fähigkeit einem zur erden und zur Ruhe kommen zu lassen. In diesen beeindruckenden Naturgebieten wird einem erst bewusst, was für ein kleines Rädchen der Mensch ist. Ein Aufenthalt dort, bringt einem wieder auf die Erde zurück... Nach dem Lockdown ist die Luftverschmutzung in China deutlich gesunken. Auch die Luftqualität in Teilen Europas hat sich rasch verbessert. Ist das auch in den Nationalparks spürbar? Derzeit sind die Auswirkungen besonders rund um globale Großstädte zu beobachten. In den Nationalparks selbst hat sich durch den Lockdown nicht viel verändert. Da spielen eher die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels eine Rolle: Die große Trockenheit, die geringen Regenmengen, die Gletscherschmelze usw. Das ist aber unabhängig vom Coronavirus. Der Virus hat wenig Einfluss auf die Natur, eher auf die Menschen... Können die Nationalparks weiterhin besucht werden? Natürlich. Besucherveranstaltungen und Bildungsprogramme wurden zwar abgesagt, aber die (sechs) Nationalparks in Österreich kann man jederzeit besuchen. Wir setzen hier auf Eigenverantwortung und das Vertrauen in die Menschen. Also, dass keine waghalsigen Bergtouren unternommen werden, wo eventuell die Bergrettung erforderlich ist. Wandern und Spazieren gehen geht jedoch immer. Nationalparks werden nicht wirtschaftlich genutzt, sind aber trotzdem wirtschaftlich erfolgreich. Vielleicht ein nachhaltiges Vorbild für andere Wirtschaftsbereiche? Durchaus. Nationalparks schaffen eine ökonomische Leistung, auch wenn diese nur schwer zu beziffern ist. Nicht nur bei der Urlaubsplanung oder für alle jene, die auf der Suche nach dem „puren Naturerlebnis“ sind, bieten die Nationalparks hohen Mehrwert. Nationalparks leisten auch viel zur gesellschaftlichen Gesundheit, zur Biodiversität und sind Basis wichtiger Forschungsgebiete und Wissenschaftsprojekte. Viele Daten zu Gletscherschmelze, Klimawandel und Umweltveränderungen stammen aus Nationalparks. Wie würde sie Vision und Zukunft der Nationalparks umschreiben? Das bewahren, was wir haben. Das klingt einfach, ist aber eine schwierige Aufgabe. Im Wesentlichen geht es darum, die Natur zu schützen und trotzdem erleben zu können. Wie schwierig das ist, zeigt der Tourismus der vergangenen Jahre, der nicht immer problemlos funktioniert hat. Die Nationalparks zeigen: Hier können beide profitieren - Mensch und Natur. Muss man Tourismus neu denken? Nachhaltiger Tourismus muss nicht neu gedacht werden, den gibt es schon länger. Mich würde es freuen, wenn mehr geschätzt wird, was man zuhause hat. Gerade in Sachen Urlaub galt es in der Vergangenheit oft darum, in die Ferne zu reisen. Es gibt aber ganz vieles zu entdecken, was in der unmittelbaren Umgebung liegt... Was sollte sich ihrer Meinung nach verändern? Ich würde mir wünschen, dass die große Solidarität unter den Menschen, die die Pandemie mit sich gebracht, auch die Natur miteinbezieht. Wir sollten der Natur auf Augenhöhe begegnen. Dafür sollte mehr Bewusstsein in der Gesellschaft geschaffen werden. Was ist ihr Lebenskonzept? So zu leben, dass es eine bessere Welt wird. Jeder kann ein bisschen dazu beitragen, dass die Welt besser wird... Vielen Dank für das interessante Gespräch! Nationalparks Austria SCHUTZGEBIETE MIT WERTVOLLEN NATURRÄUMEN In Österreich gibt es sechs Nationalparks: Nationalpark Donau-Auen, Nationalpark Gesäuse, Nationalpark Hohe Tauern, Nationalpark Kalkalpen, Nationalpark Neusiedler See - Seewinkel und den Nationalpark Thayatal. Zwei Nationalparks erstrecken sich über mehrere Bundesländer. Der Nationalpark Hohe Tauern liegt in den Bundesländern Kärnten, Salzburg und Tirol. Die Donau-Auen sind in Wien und Niederösterreich unter Schutz gestellt. Die österreichischen Nationalparks haben eine Gesamtgröße von 238.035 ha. Das sind rund 3 % der Staatsfläche. Web-Tipp: www.nationalparksaustria.at Fotos: Popp-Hacker (Titelfoto), Kern, Kracher, Leitner, Seidl, Sieghartsleitner, Baumgartner, Kovacs, Katja Hasenöhrl, Andreas Hollinger, Vanessa Szopory, Sebastian Freiler, Erich Mayrhofer
Interview: Helmut Wolf Warum eine gesunde Natur unsere Welt rettet! Die aktuelle Krise als Chance nutzen für einen „globalen Neustart"! Davon sind die beiden preisgekrönten Naturreportage-Fotografen und Ökologen Christine Sonvilla und Marc Graf überzeugt: Das Start-Interview der Serie „#NaturSpüren“! „Rührt man an einem einzelnen Ding in der Natur, entdeckt man, dass es mit dem Rest der Welt zusammenhängt“ John Muir, Wildnisforscher & „Vater der Nationalparks“ Was kommt nach der Corona-Krise? Wie zukünftig weitertun? Einfach weiter so wie bisher? Mit noch mehr Konsum, noch mehr Ressourcenverbrauch, noch mehr CO2-Ausstoß? Weil: Die Wirtschaft muss wachsen... Muss das iPhone weiterhin aus China kommen? Das T-Shirt für 5 Euro um den halben Globus geschickt werden? Die Fernreise mit der Billigfluglinie gebucht werden? Und: Tiertransporte und Lebensmittel durch ganz Europa rollen oder aus Übersee importiert werden? Oder könnte unser System nicht mit deutlich weniger Aufwand und Ressourcen betrieben werden? Mit mehr lokaler Produktion, nachhaltig gestalteten Waren und Dienstleistungen sowie Produkten, die auf Langlebigkeit und Reparaturtauglichkeit ausgelegt sind? Bisher wurde Natur zumeist nur „genutzt“ - oder vielmehr ausgenutzt. In erster Linie um wirtschaftliche Interesse zu bedienen: Berge, Wälder, Seen, Landschaften, ja ganze Regionen und riesige (Anbau-)Flächen wurden und werden so umgestaltet und „angepasst“, damit Tourismus, Land- und Forstwirtschaft oder andere wirtschaftliche Interessen davon profitieren. Der Preis dafür ist ein hoher: Gletscher schmelzen, Dürreperioden und Wetterextreme nehmen weltweit dramatische Ausmaße an und die Klimakrise bringt das ökologische System zunehmend aus dem Gleichgewicht... Nachhaltiger Tourismus und naturnahe Arbeitsplätze. Aber: Es geht auch anders. Das zeigen beispielsweise die sechs Nationalparks in Österreich. Oder auch die „Bergsteigerdörfer“ des Alpenvereins, die einen sanften, überaus erfolgreichen Weg des Tourismus eingeschlagen haben. Auch in vielen anderen Ländern werden (Wildnis-)Gebiete unter Naturschutz gestellt, Nationalparks ausgeweitet, nachhaltiger Tourismus forciert. Verantwortung und Wirtschaft können im Einklang funktionieren - wenn das politisch und gesellschaftlich gewollt ist. Sind die Arbeitsplätze der Zukunft in naturnahen Bereichen angesiedelt? Werden Produkte nun vermehrt lokaler und nachhaltiger produziert und konsumiert...? Natur Spüren #1 Das Interview Im nachfolgenden Interview skizzieren die beiden Naturschutzbiologen und Fotografen Christine Sonvilla und Marc Graf mögliche Ansätze und (Wirtschafts-)Modelle, die in eine moderne, „naturverträglichere Zukunft" führen könnten. Liebe Christine, lieber Marc, es hat nur ein paar Tage gebraucht und die globale Wirtschaft ist zum Stillstand gebracht worden. Lockdown in allen Teilen der Welt. Wie beurteilt ihr diese Entwicklung? Marc: Es zeigt sich wieder einmal: Soziales und Wirtschaftliches kippt viel schneller, als die Natur... Christine: Genau, das trift die Sache im Kern. Was der Mensch in den vergangenen Jahrzehnten gemacht hat, war: Sich immer mehr von der Natur zu entfernen. Stets geht es darum Technologie besser zu machen als die Natur, sich über die Natur zu stellen. Stichwort: „Bionik“. Das ist eine Form der Entkoppelung von Natur und Umwelt. Und auch jetzt ist die Reaktion der Politik einzig und alleine: Die Wirtschaft auf die Beine zu stellen. Finanzielle Verluste zu kompensieren. CO2-Pläne und Klimaziele drohen bereits über den Haufen geworfen zu werden... Darin sehe ich eine große Gefahr. Wenn wir uns weiter von der Natur entfernen, dann spüren wir nicht mehr, warum ein wilder Wald und eine gesunde Wiese so wichtig sind für unser Leben. Müssen wir jede Technologie so gestalten, um sie sofort in einen wirtschaftliche Kontext zu bringen? Der Mensch hätte die Kapazität und das Know-How um Einzigartiges zu schaffen, ohne Egoismus und Turbokapitalismus. Wir können auch anders, nachhaltiger. Wir sollten diese Krise als Chance nutzen. Marc: Die aktuelle Situation ist auch eine Analogie über das Gesundheitssystem: Vor der Coronakrise hat es geheißen, das Gesundheitssystem sei zu teuer, zu schwerfällig usw. Jetzt zeigt sich: Wir brauchen diesen Gesundheitsapparat umso mehr. Die Natur bildet auch ein Sicherheitsnetz, wie man jetzt beobachten kann: Wenn da ein Rädchen kaputt ist, stürzt das gesamte System. Aber: Die wahre Herausforderung ist der Klimawandel. Jedoch: Den Klimawandel bewältigt man nicht mit einen instabilen Ökosystem. Deshalb ist es für mich umso wichtiger, nicht nur die Wirtschaft zu retten, sondern auch die Natur! Die Frage ist: Wer setzt sich zukünftig durch? Goldmann Sachs, Trump & Co. oder die engagierte Zivilgesellschaft und Wissenschaft? Marc: Die Coronona-Krise ist vielleicht nicht stark genug, um das gesamte System zu ändern. Aber: Viele Menschen ergreifen jetzt diesen Hoffnungsschimmer. Es wird wahrscheinlich keinen weiteren Jahrhundertmoment in dieser Dimension mehr geben, um etwas zu verändern. Die menschliche Welt läuft momentan auf halbem Tempo, und dennoch – es funktionieren alle wichtigen Bereiche: Lebensmittelproduktion, Energie, Gesundheit usw. Welche Erkenntnis zieht man daraus? Es geht auch mit weniger! Die Menschheit wird hoffentlich daraus etwas lernen... Christine: Es ist die Zeit der Zivilgesellschaft. Motto: Jetzt müssen wir alle was tun! Wir sind alle Menschen, mit dem Ziel gut zu Leben. Es geht darum, dass wir die vielen Stimmen vereinen und die Bevölkerung zum Hauptentscheider der Zukunft machen. Die Natur ist dabei die Basis von allen. So lange wir lethargisch bleiben, wird nichts passieren. Geht es da nicht um grundsätzliche Fragen: Was ist uns wirklich wichtig? Was brauchen wir zum Leben? Christine: Ja, wir müssen uns alle fragen: Wohin soll unsere Gesellschaft gehen? Das ist jetzt eine Chance. Wir sollten alles hinterfragen und neu ordnen. Diese Möglichkeit sollten wir nutzen. Dazu braucht es eine gesellschaftlichen Zusammenhalt und gemeinsamen Nenner. Marc: Die Coronakrise schüttelt unser System durch. Es zeigt sich, dass unsere Strukturen doch nicht so krisensicher sind, wie immer versichert wird. Es geht aber auch um den Wert der Natur: Wie wollen wir der Natur weiterhin begegnen? Wenn wir am System der High-Speed-Wirtschaft festhalten, wird uns das in den Abgrund führen. Christine: Wir Menschen sind in ein Netzwerk eingewoben. In ein Ökosystem. Überspitzt formuliert: Wir können nicht ohne Natur, aber Natur kann ohne uns schon... Wie könnte man Menschen mit wenig Naturkontakt den Wert der Natur Nahe bringen? Christine: Natur braucht jeder Mensch. Dieses gemeinschaftliche, globale Empfinden gilt es zu Erwecken. Natur verbindet uns alle. Wir merken das gerade in Zeiten der Quarantäne und Selbstisolation: Jeder will „rausgehen“! In den Park, in den Wald, in die Natur – das ist ein menschliches Grundbedürfnis. Im Wald fühlen wir uns wohl. Ein Spaziergang im Grünen ist immunstärkend und gesund. Ebenso ist „wilde Natur“ nicht gefährlich oder „lauert auf uns“. Es geht um das Bewusstsein und den respektvollen Umgang mit Natur, Wildnis und unserer Umwelt. Natur lässt einem zu sich selbst finden. Dabei geht es auch um grundsätzliche Fragen: Was ist da, wenn nichts da ist? Um was geht es im Leben? Geht es nur um Geld , um höher, schneller, weiter zu kommen...? Viele können Stille und Ruhephasen, die einem die Natur schenkt, gar nicht ertragen. Weil wir gewohnt sind ständig von Lärm und Aktivität abgelenkt zu werden. Bringt uns diese Ausnahmesituation zu grundsätzlichen Fragen des Lebens? Marc: Die Pandemie führt uns zu zwei wesentlichen Elementen: Zu Solidarität und Gerechtigkeit. Solidarität bedeutet: „Bleibt zuhause, dann schützt ihr alle andern“. Und Gerechtigkeit heißt: Keiner braucht Hunger zu haben, wir sorgen für Euch. Auch der Natur muss man solidarisch und gerecht begegnen, sonst stirbt sie. Jeder Einzelne ist Teil des Ganzen, auch wenn er in der Großstadt lebt... Alles kommt aus der Natur! Alles was ich konsumiere, gibt es nur, weil es da draußen Natur gibt. Natur und Mensch sind eins. Christine: Wir müssen uns in allen Lebensbereichen verändern. Vieles ist lebens- und umweltzerstörend. Und nur weil etwas Profit verspricht oder ein höherer Aktiengewinn ausschüttet wird, ist es nicht gleich gut. Das zeigt das Beispiel Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft. Die industrialisierte Landwirtschaft ist ein pervertiertes, ausbeuterisches System, mit viel Chemie und Umweltzerstörung. Und ständig wird mit den vielen Arbeitsplätzen argumentiert. Die „grüne Revolution“ hat aber nicht funktioniert! Das müssen wir ändern. Weil die Wirtschaft wachsen muss... Christine: Es hat sich ausgewachsen (lacht). Es gibt unendlich vielen Studien, die das Mantra vom unendlichen Wirtschaftswachstum schon lange wiederlegen. Wirtschaft funktioniert auch ohne viel Wachstum, aber davon profitieren eben nicht die Eliten. Wenn Milliarden Menschen sagen, wir kaufen nicht mehr soviel, oder nur qualitätsvolle, nachhaltige Produkte, dann wird sich das ändern. Wie wird es Eurer Meinung nach in Zukunft weiter gehen? Marc: Wir müssen alles runterschrauben. Es muss nicht so schnell und so viel sein. Das zeigt sich gerade jetzt: Wir können nicht soviel fliegen, nicht massig konsumieren - und trotzdem funktioniert unser Leben. Statt in große Handelsbewegungen zu investieren, gilt es lokale Projekte zu stärken. Und: Eine in Scherben liegende Wirtschaft hat die Chance sich neu zu strukturieren. Denn: Weiter wie bisher, wäre der Weg in die Klimakatastrophe. Christine: Es geht sehr viel, und das in kurzer Zeit. Das zeigt sich jetzt, wie schnell die Natur sich erholt. Marc: Wir müssen nicht zwingend in die Ferne reisen. Der Wald in der Nähe, der See und die Berge der Umgebung sind immer da – und das bleiben sie auch. Christine: Derzeit hält uns die Angst vor Veränderung ab Dinge anders, besser zu machen. Weil wir uns das nicht vorstellen können. Wir sollten aber über unseren eigenen Schatten springen und uns zutrauen, dass alles besser werden kann. Marc: Und wenn sich die Natur erholt, dann kommen Wolf und Luchs von ganz alleine wieder zurück. Davor brauchen wir uns nicht zu fürchten(lacht)... Danke für das interessante Gespräch! Interview: Helmut Wolf Natur Spüren Think New – Think Nature Wald, Wiese, Berg, Fluss, Tal, Vogel, Biene, Reh. Der Wind, der Regen, die Stille, das Rauschen... Die Serie „Natur spüren" von LebensKonzepte.org dokumentiert natürliche Lebensräume und „echte Wildnis". Bär, Luchs, Wolf & Co. als Botschafter einer gesunden Umwelt: Die Serie macht „spürbar“ warum intakte Natur und Wildnis lebensnotwendige Eckpfeiler für unser Überleben sind. Natur als Garant der Klimastabilität und des ökologischen Gleichgewichts. Angesichts globaler, mikrobiologischer Ereignisse und weitreichender Auswirkungen der Klimakrise, spielen Wildnis- und Schutzgebiete eine zentrale Rolle für die Zukunft des Planeten. „Wildes Land", wo Pflanzen- und Tierarten natürlich gedeihen und heranwachsen können, als Beispiel einer nachhaltigen Wirtschaftsweise und Lebenskultur. Dies gilt es zu vermitteln und in die Mitte der Gesellschaft zu bringen... #Think New #ThinkNature Web-Tipps:
www.nationalparksaustria.at www.bergsteigerdoerfer.at http://sonvilla-graf.com Fotos: Christine Sonvilla, Marc Graf |
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